Auf dem Hamburger Gipfel von Spitzenökonomen bei der HSH Nordbank kritisiert Ökonom Prof. Hans-Werner Sinn die Europäische Zentralbank.

Hamburg. Manchmal erinnert die Wirklichkeit an alte Postkarten-Weisheiten. "Lächle und sei froh, es könnte schlimmer kommen. Und ich lächelte und ich war froh - und es kam schlimmer!" lautet ein solcher Aphorismus - und beschreibt detailgetreu den bisherigen Verlauf der Euro-Krise.

Auch bei der hochkarätig besetzten Podiumsdiskussion der Veranstaltung "Unternehmerpositionen Nord" der HSH Nordbank in Hamburg bemühten sich die Experten am Mittwochabend zwar um Zuversicht, allein es wollte nicht so recht gelingen. Am optimistischsten zeigte sich der Direktor des Hamburgischen WeltWirtschaftsInstituts, Prof. Thomas Straubhaar. "Die Euro-Rettung kann gelingen", sagte der Ökonom. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts hätten die Finanzmärkte mit Erleichterung reagiert. Wenn diese nachhaltig sei, werde der Druck auf die Krisenstaaten zurückgehen. Straubhaar bewertete zudem positiv, dass mit dem Karlsruher Urteil der Rettungsschirm ESM nun in Kürze einsetzbar sei. "Das nimmt den Druck von der Europäischen Zentralbank, an den Anleihemärkten aktiv zu werden."

Während die drei Experten Kritik an den Bundesrichtern vermieden, stand die Europäische Zentralbank im Kreuzfeuer der Kritik "Die EZB geht mit ihrer Unabhängigkeit verantwortungslos um, wenn sie Staatsanleihen kauft", kritisierte Prof. Hans-Werner Sinn, Präsident des Ifo-Instituts in München. Auch Wolfgang Franz, der Vorsitzende des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, nannte die Staatsfinanzierung durch die EZB eine "Todsünde".

Sinn sieht die Deutschen als große Verlierer dieser Politik. "Unsere Ersparnisse werden in den Süden geleitet", kritisierte Sinn. Die Forderungen an die Krisenstaaten wüchsen immer weiter, ohne dass geklärt sei, ob diese auch eines Tages bedient würden.

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Ähnlich kritisch sieht auch der Wirtschaftsweise Franz die Interventionen der Frankfurter Währungshüter. "Es wird sehr spannend, wenn die Papiere unter Auflagen gekauft werden", sagte Franz. "Was aber passiert, wenn die Staaten die Auflagen dann nicht einhalten?" Der eingeschlagene Weg sei höchst gefährlich. Der Einschätzung stimmte Straubhaar zwar zu, verwies aber auf den Mangel an Alternativen. "Man kann auf die EZB einprügeln, aber sie ist die einzige handlungsfähige Institution, Staaten zu helfen, die vom Kapitalmarkt abgeschnitten sind." Einfache Lösungen, da waren sich die Ökonomen einig, gibt es nicht. Einen Ausstieg Deutschlands aus dem Euro lehnten alle drei Professoren ab. "Wir sind gefangen im Euro, wir kommen nicht heraus", sagte Sinn und verwies auf die immensen Kosten im Falle eines Ausstiegs. "Wir sind in der Sackgasse und müssen auf erhebliche Teile unseres Nettoauslandsvermögens verzichten."

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Umstritten war hingegen, ob ein Ausstieg der Griechen zumindest für den betroffenen Staat nicht die bessere Lösung sei. Sinn betonte, "Länder, die nicht wettbewerbsfähig sind, müssen austreten". Wollten die Griechen die Wettbewerbsfähigkeit der Türkei erreichen, müssten die Kosten um fast 40 Prozent sinken. "Das schaffen sie nicht in einer Währungsunion." Schon jetzt seien die sozialen Folgen in Griechenland katastrophal. Straubhaar und Franz hingegen warnten eindringlich vor einem Ausschluss Griechenlands. "Dieser Schritt würde die Märkte weiter verunsichern. Dann droht der Dominoeffekt", sagte Straubhaar. Und Franz fügte hinzu: "Wer derlei fordert, nimmt das Zerbrechen der Währungsunion billigend in Kauf."