Merkel stellt ihrer Regierung in der Haushaltsdebatte ein gutes Zeugnis aus. 18,8 Milliarden Euro Neuverschuldung sind eingeplant.

Berlin. Frank-Walter Steinmeier muss lachen. Eigentlich will er das gar nicht, denn es war ja Linken-Fraktionschef Gregor Gysi, der gerade einen Witz gemacht hat - ausgerechnet auf Kosten des SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel. Steinmeier senkt also den Kopf und kichert mehr schlecht als recht in sich hinein. Sehen kann das so natürlich trotzdem jeder.

Gysi hatte gerade das erst vor wenigen Tagen von Gabriel vorgelegte Rentenkonzept als untauglich zerpflückt. "Herr Steinmeier schweigt dazu. Was ihn auszeichnet", bemerkt Gysi süffisant - und hat so die Lacher auf seiner Seite, inklusive von Steinmeier selbst. Dabei muss der SPD-Fraktionschef, der im Bundestag in der ersten Reihe neben seinem Geschäftsführer Thomas Oppermann sitzt, einiges an Kritik einstecken. Von Gysi, davor von Bundeskanzlerin Angela Merkel, gleich danach ist FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle an der Reihe. Es ist die traditionelle Generaldebatte zum Haushalt, in der vor allem Regierung und Opposition rhetorisch aufeinander einhacken. Steinmeiers Rede am Anfang hatte die Redeschlacht eröffnet.

"Sie hätten die erste Bundesregierung sein können, die die Neuverschuldung auf null bringt, aber Sie verdaddeln es", schimpft Steinmeier am Rednerpult, während Merkel ungerührt auf der Regierungsbank in ihren Akten blättert. Nach dem Entwurf von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) soll 2013 die Neuverschuldung auf 18,8 Milliarden Euro zurückgeführt werden - nach rund 32 Milliarden Euro in diesem Jahr. Die Ausgaben sollen auf 302,2 Milliarden Euro sinken. Das sind etwa zehn Milliarden weniger als bisher veranschlagt. Für Steinmeier ist das allerdings kein Verdienst Merkels: Es seien SPD und Grüne gewesen, "die das Fundament für den Erfolg von heute gelegt haben". Merkel müsse sich fragen lassen, was sie für den Wohlstand in Deutschland in zehn Jahren tue: "Ihr einziges Ziel ist Machterhalt, und das ist zu wenig."

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Insgesamt steht jede der Reden im Zeichen der Karlsruher Entscheidung vom Vormittag. Das Urteil zum Euro-Rettungsschirm ESM und zum Fiskalpakt stärke die Rechte des Bundestags, darüber sind sich alle Redner einig. Doch da hören die Gemeinsamkeiten auch schon auf.

So eine Generaldebatte ist aber immer auch ein Schauspiel. Die Hauptstadtpresse sitzt oben auf den Tribüne, Dutzende Kameras sind ins Plenum gerichtet. Deshalb geht es nicht nur um Worte, sondern auch um Gesten. Dass Merkel ganz kurz vor Debattenbeginn - Saal und Ränge sind bereits voll - zur SPD-Bank schlendert und Gabriel und Steinmeier scherzend die Hand schüttelt und ein paar Worte wechselt, ist also kein Zufall, sondern eine Botschaft. "Danke für die Zusammenarbeit bei der Euro-Rettung", könnte sie bedeuten - denn tatsächlich konnte sich Merkel dabei stets auf die SPD verlassen.

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Das Signal könnte aber auch ein anderes sein: Die FDP hatte in den letzten Tagen den vermeintlichen Schulterschluss bei CDU und SPD in Sachen Rente argwöhnisch beobachtet und kritisiert, hier bahne sich eine Große Koalition für die Zeit nach 2013 an. Kein unrealistisches Szenario - wollte Merkel also in diese Richtung ein Zeichen setzen? Es bleibt Raum für Spekulationen. Genau so ist es gewollt.

Merkel: "Super Arbeit" geleistet

Bei ihrer Rede ist Merkel betont fröhlich. Sie zieht Bilanz der schwarz-gelben Regierungszeit, selbstverständlich fällt sie positiv aus. "Super Arbeit" habe man geleistet, etwa bei Europa, aber auch beim Haushalt, der Bildungspolitik, der Energiewende, dem Arbeitsmarkt. "'Tschuldigung, das wird man doch noch mal sagen dürfen", findet sie, als die Opposition hörbar zu mosern beginnt. Doch auch Merkel weiß, dass trotz aller Erfolgsbotschaften noch Turbulenzen auf sie zukommen werden. Immer noch ist offen, wie es um die Zukunft Griechenlands steht oder die geplante Bankenaufsicht. Dass die Europäische Zentralbank Anleihen von Krisenstaaten kaufen will, passte ursprünglich auch nicht in ihre Linie. Das Karlsruher Urteil ist also nur ein Etappensieg.

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Für Merkels gute Laune aber reicht er zunächst. Vielleicht liegt es daran, dass trotz der deftigen Worte nicht nur die schönen Händeschüttel-Bilder mit der SPD entstehen, sondern auch eine betont fröhliche Zusammenkunft mit Ursula von der Leyen. Die CDU-Arbeitsministerin war mit Merkel in der letzten Wochen wegen ihres Vorpreschens im Rentenstreit aneinandergeraten. So sehr, dass von einem Zerwürfnis beider Frauen die Rede war. Jetzt kommt von der Leyen während einer der Reden zur Chefin, beide scherzen und lachen. Die Fotokameras klicken.