Verfassungsgericht billigt Rettungsschirm unter Auflagen. EU-Kommissionschef plant jetzt neue Länder-“Föderation“

Berlin/Straßburg. Es ist eine der wichtigsten Entscheidungen in der Geschichte der Europäischen Union: Das Bundesverfassungsgericht hat den Weg für einen dauerhaften Euro-Rettungsschirm frei gemacht. Die Karlsruher Richter lehnten die Eilanträge gegen den Europäischen Stabilitätsmechanismus ESM ab, sprachen allerdings Vorbehalte aus: Das bisherige Haftungsrisiko Deutschlands von bis zu 190 Milliarden Euro dürfe sich nicht erhöhen, ohne dass der Bundestag erneut zustimme. Es müsse völkerrechtlich sichergestellt sein, dass die deutsche Haftung für andere Staaten auf das geplante Maß begrenzt bleibe.

Deutschland hatte bisher als einziges von 17 Euro-Ländern den bis zu 700 Milliarden Euro schweren ESM nicht ratifiziert. Auch der Fiskalpakt, der eine gemeinsame Schuldenbremse vorsieht, kann nun in Kraft treten.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) lobte den Richterspruch. Im Bundestag sagte sie: "Das ist ein guter Tag für Deutschland, ein guter Tag für Europa." Weltweit wurde das Urteil mit Erleichterung aufgenommen, auch an den Finanzmärkten. Der deutsche Leitindex DAX kletterte zeitweilig auf den höchsten Stand seit Juli 2011.

Sowohl Merkel als auch EU-Kommissionspräsident Barroso pochten auf eine stärkere europäische Integration. Die Kanzlerin forderte eine größere Kontrolle der nationalen Politik in den Euro-Staaten durch die EU-Kommission. Barroso ging vor dem EU-Parlament in Straßburg noch weiter: Er will aus der Europäischen Union einen Staatenbund machen und weitere Kompetenzen nationaler Regierungen nach Brüssel verlagern. Seine Behörde werde noch "vor den nächsten Wahlen zum Europaparlament 2014" konkrete Vorschläge vorlegen, wie durch Änderungen der europäischen Verträge eine "Föderation der Nationalstaaten" geschaffen werden könne. "Niemand wird gezwungen mitzumachen", sagte Barroso. "Und niemand wird gezwungen, außen vor zu bleiben."

Der Fraktionschef der Sozialdemokraten im EU-Parlament, der Österreicher Hannes Swoboda, sagte dem Abendblatt: "Eine Verfassung für Europa und die Anpassung nationaler Verfassungen sind aus unserer Sicht der richtige Weg. Die Vereinigten Staaten von Europa sind somit ein Ziel, das langfristig möglich sein könnte." Dazu brauche man aber Volksabstimmungen auf europäischer Ebene, so Swoboda. "Referenden können die Demokratie in Europa stärken, wenn sie europäisch organisiert sind und nicht bloß national." Man müsse den Mut haben, sich "klar gegen den zunehmend häufiger auftretenden und wachsenden Nationalismus in zahlreichen Ländern Europas zu wehren".