Der CSU-Politiker Peter Gauweiler hat einen neuen Eilantrag eingereicht. Die Kläger wollen Volksabstimmung über Lösung der Finanzkrise.

Karlsruhe/Berlin. Das mit Spannung erwartete Urteil des Bundesverfassungsgerichts über die Massenklage gegen den Euro-Rettungsschirm ESM könnte sich verzögern: Der CSU-Politiker Peter Gauweiler hat einen neuen Eilantrag eingereicht und will so eine Verschiebung des für Mittwoch anberaumten Termins erreichen. Gauweiler hält den geplanten Aufkauf von Anleihen von Krisenstaaten durch die Europäische Zentralbank (EZB) für verfassungswidrig. Er reichte seinen Eilantrag nach eigenen Angaben Ende letzter Woche ein. Der Bundestagsabgeordnete will erreichen, dass die EZB ihre "undemokratische Selbstermächtigung" zurücknimmt. Bis dahin dürfe der ESM nicht in Kraft treten, sollte er vom Verfassungsgericht gebilligt werden.

Sollte das Bundesverfassungsgericht nicht mehr bis Mittwoch über seinen neuen Eilantrag entscheiden können, verlangt Gauweiler, dass das für diesen Tag angekündigte Urteil verschoben wird. Mit dem Schritt der EZB sei eine völlig neue Situation für die Beurteilung des ESM entstanden. Das Gesamtrisiko für den Bundeshaushalt sei "völlig unkalkulierbar und deshalb auch unverantwortbar" geworden. Der als Euro-Rebell bekannte Gauweiler beklagt, dass mit den EZB-Käufen Entscheidungen und Kontrollen des Bundestags umgangen werden. Die Kompetenzen und Haushaltsrechte des Bundestags sind auch Gegenstand der Klagen. Die Politik glaubt allerdings nicht, dass das Bundesverfassungsgericht den ESM aufhält. Und Beobachter rechnen damit, dass Gauweilers neue Einwände bereits in das Urteil einfließen werden.

Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sagte "Bild am Sonntag", beim ESM sei sorgfältig geprüft worden, "dass er nicht gegen die Verfassung verstößt". Auch habe Karlsruhe niemals den Kurs der europäischen Integration als gegen das Grundgesetz gerichtet beurteilt. Ähnlich äußerte sich der Fraktionsgeschäftsführer der SPD, Thomas Oppermann. Er sagte im "Tagesspiegel am Sonntag", das Verfassungsgericht habe in den bisherigen Entscheidungen zu den Rettungsschirmen immer wieder den Gedanken der demokratischen Legitimation betont. "Ich glaube, dass das Gericht in der Kontinuität dieser Entscheidungen bleiben wird, und rechne damit, dass es den Rettungsschirm für verfassungsgemäß erklären wird."

Das Bündnis "Europa braucht mehr Demokratie" gegen den ESM wird nach eigenen Angaben von 37 000 Menschen unterstützt und stellt damit die größte Verfassungsbeschwerde in der Geschichte der Bundesrepublik dar. Es fordert unter anderem eine Volksabstimmung über die Instrumente der Euro-Rettung.

In einer Reuters-Umfrage unter 20 führenden Verfassungsjuristen gehen alle Befragten davon aus, dass das Gericht grünes Licht für ESM und Fiskalpakt geben wird - allerdings rechnen sie zugleich mit Auflagen für die Politik. Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle hat in der Verhandlung über die Klagen bereits klargemacht, dass die Verfassung auch in Krisen nicht übergangen werden darf: "Europa fordert den demokratischen Verfassungsstaat - ebenso wie der demokratische Verfassungsstaat Europa fordert."

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Sollte der Zweite Senat des Gerichts die Beteiligung Deutschlands am ESM untersagen, wären die Folgen kaum absehbar. Denn mit dem ESM würde ein zentraler Pfeiler im Krisenplan der Euro-Länder einstürzen. Zuerst käme es wohl zu einem "Blutbad an den Märkten", warnt der Chef-Ökonom der UniCredit, Erik Nielsen. Der Euro würde abstürzen, die Zinsen für Staatsanleihen der Problemländer würden hochschnellen und die Börsen in die Knie gehen. Die Euro-Länder müssten schnell eine Alternative finden. Der ESM-Vorgänger EFSF hat nur noch 150 Milliarden Euro in den Kassen: zu wenig, um Anleger zu beruhigen und Spekulanten abzuschrecken. Der ESM soll Euro-Ländern mit Problemen die Zeit kaufen, die sie brauchen, um ihre Haushalte zu sanieren.