Sechs von zehn Führungskräften denken an vorzeitigen Abschied. “Wenn nicht schnell etwas passiert, wird die Reform kippen“, sagte Verbandschef Kirsch.

Berlin. Die Reform der Bundeswehr stößt innerhalb der Truppe auf breite Ablehnung. Das zeigt eine Umfrage unter Führungskräften, die der Bundeswehrverband am Freitag vorstellte. Demnach sehen 88 Prozent der Befragten dringenden Korrekturbedarf. "Wenn nicht ganz schnell etwas passiert, wird die Reform kippen", sagte Verbandschef Ulrich Kirsch. "Diese Ergebnisse tun weh." Die Reform führe zu einer zunehmenden Arbeitsbelastung der Soldaten und erschwere die Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Fast zwei Drittel der Soldaten gaben demnach an, ihren Kindern oder Freunden von einem Job bei der Bundeswehr abzuraten. Etwa 60 Prozent der befragten Führungskräfte hätten darüber nachgedacht, die Bundeswehr vorzeitig zu verlassen. "Ohne überzeugte und überzeugende Vorgesetzte kann die Reform nicht gelingen", sagte Oberst Kirsch. Problematisch sei vor allem, dass die Reform bei mehr als 80 Prozent der Befragten nicht als gemeinsames Projekt der Bundesregierung wahrgenommen werde. Zu einer erfolgreichen Reform gehöre die Unterstützung auch durch andere Ministerien. Namentlich nannte er die verantwortlichen Ressortchefs, Arbeitsministerin Ursula von der Leyen und Finanzminister Wolfgang Schäuble (beide CDU).

+++ Bundeswehrreform: Massive Unzufriedenheit in der Truppe +++

Wünschenswert seien zusätzliche Stellen, um Elternzeiten besser zu ermöglichen. "Neuausrichtung ist Gestaltung, und Gestaltung kostet Geld." Er wolle die Ergebnisse als Weckruf an die gesamte Bundesregierung verstanden wissen, die einzelnen Reformprozesse zu begleiten.

Regierungssprecher Steffen Seibert hatte betont: "Grundsätzlich ist es ganz klar, dass die Reform der Bundeswehr von der gesamten Bundesregierung getragen wird." Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums teilte unterdessen mit, die Umfrage decke sich grundsätzlich mit dem eigenen Bild des Ministeriums von der aktuellen Situation. Bei der Reform bleibe "kein Stein auf dem anderen". Deshalb sei es verständlich, dass bei Mitarbeitern, Soldaten und deren Familien ein Gefühl der Unsicherheit herrsche. Aber: "Umso bemerkenswerter ist es, dass fast drei Viertel der Befragten die Neuausrichtung als positiv und richtig betrachten."

Die 2010 eingeleitete Bundeswehrreform beinhaltet neben der Aussetzung der Wehrpflicht einen Personalabbau von 250.000 auf rund 175.000 Soldaten, mehrere Standortschließungen und Veränderungen in der Organisation. Es ist die sechste Reform innerhalb von 20 Jahren.

Für die Umfrage, die die Universität Chemnitz unter Professor Gerd Strohmeier für den Bundeswehrverband durchführte, wurden rund 4000 Fragebögen an Kompaniefeldwebel, Kompaniechefs und Kommandeure versendet. Rund 1800 kamen zurück und wurden ausgewertet.