Die gesetzliche Krankenversicherung hat, begünstigt durch die gute Konjunktur und den Beschäftigungsboom auf dem deutschen Arbeitsmarkt, ihre Reserven weiter ausgebaut. Die Krankenkassen erzielten einen Überschuss von 2,7 Milliarden Euro. Gesundheitsminister Bahr (FDP) fordert die Kassen auf, Geld an die Versicherten auszuschütten.

Berlin. Die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) hat auch im ersten Halbjahr 2012 ihre Reserven weiter ausgebaut - der guten Konjunktur und des Beschäftigungsbooms sei Dank auf einen neuen Rekordwert von rund 21,8 Milliarden Euro. Die Kassen erzielten einen Überschuss von rund 2,7 Milliarden Euro, bei Einnahmen von rund 94,8 Milliarden. Das teilte das Gesundheitsministerium am Mittwoch in Berlin unter Berufung auf vorläufige Zahlen mit. Der Ruf nach Entlastung der rund 50 Millionen Beitragszahler wird angesichts der glänzenden Zahlen lauter. Gesundheitsminister Bahr ruft die Krankenkassen zu Rückzahlungen an die Versicherten auf.

Insgesamt sind etwa 70 Millionen Bürger in der GKV versichert. Wie das Bundesgesundheitsministerium am Mittwoch in Berlin mitteilte, haben die Krankenkassen zum Ende des ersten Halbjahres 12,8 Milliarden Euro als Polster angesammelt. 9 Milliarden gingen an die Geld-Umverteilungsstelle der Kassen, den Gesundheitsfonds. Nur ein Teil des Geldes ist als Pflichtreserve gebunden. Die Einnahmen stiegen im Vorjahresvergleich infolge gestiegener Löhne und Renten um 3,1 Milliarden Euro, die Ausgaben sanken um 2,8 Milliarden Euro.

Den Angaben zufolge stiegen die Leistungsausgaben je Versicherten in den ersten sechs Monaten um 3,2 Prozent, die Arzneimittelausgaben um 3,1 Prozent je Versicherten.Dieser Zuwachs liegt allerdings unter dem vom sogenannten Schätzerkreis prognostizierten Anstieg für dieses Jahr von 4,5 Prozent. Trotz dieser Zuwachsrate blieben die Arzneimittelausgaben im ersten Halbjahr um rund 560 Millionen Euro unter den Ausgaben des vergleichbaren Vorjahreszeitraums. Aber auch für Klinikbehandlungen wurden 3,4 Prozent und für ambulante ärztliche Behandlungen 2,1 Prozent mehr ausgegeben.

Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) appellierte an die besonders gut aufgestellten Kassen, Geld an die Versicherten zurückzugeben. „Die Überschüsse sind das Geld der Versicherten und Patienten“, sagte der FDP-Politiker. Diese sollten durch Leistungsverbesserungen und Entlastungen profitieren. „Krankenkassen sind keine Sparkassen“, sagte Bahr. Als Gründe für die positive Entwicklung nannte er neben der guten Entwicklung der Wirtschaft und den Beschäftigungszuwächsen auch die spürbaren Anstiege von Löhnen und Renten sowie das Arzneimittelsparpaket der Bundesregierung. Immer mehr Kassen hätten Finanzreserven erheblich über der zulässigen Obergrenze von 1,5 Monatsausgaben. Von Prämienauszahlungen profitierten derzeit gerade einmal rund 700.000 Versicherte – das sind nur ein Prozent. Im Rest des Jahres dürfte der Überschuss der Kassen laut Ministerium erfahrungsgemäß deutlich geringer ausfallen.

Der GKV-Spitzenverband warnte, die hohen Summen dürften „den Blick nicht darauf verstellen, dass der Überschuss aus dem ersten Halbjahr 2012 lediglich einer Reserve von 5 Tagen entspricht und dass der Gesundheitsfonds ein Minus von fast 500 Millionen Euro gemacht hat“, sagte Verbands-Sprecher Florian Lanz. Über Prämienrückerstattungen entscheide jede Krankenkasse aufgrund ihrer wirtschaftlichen Situation selbst.

Dabei seien die steigenden Leistungsausgaben, die Kürzung des Bundeszuschusses im kommenden Jahr und die Risiken im Euro-Raum zu bedenken. Dafür müssten die Krankenkassen ihre Rücklagen ausbauen.

Mit Material von dpa, dapd und Reuters