Initiative von Justizsenatorin Schiedek kann auf CDU-Stimmen bauen. Bereits elf EU-Länder haben gesetzliche Quote eingeführt.

Berlin. Viviane Reding ist eine resolute Frau. Die 61-jährige Luxemburgerin, die gern Blazer in knalligen Farben und opulenten Ohrschmuck trägt, hat in ihren bislang zweieinhalb Jahren als EU-Justizkommissarin schon einiges bewegt. Dass etwa die Roaming-Gebühren für Handy-Gespräche im EU-Ausland nicht mehr so hoch sind wie früher, ist vor allem ihrem Engagement zu verdanken. Jetzt bemüht sich Reding seit einiger Zeit, ein anderes Problem in Europa zu beheben: Die nach wie vor männerdominierten Aufsichtsräte börsennotierter Unternehmen.

Viviane Reding kämpft für eine gesetzliche Frauenquote. Und weil immerhin elf Länder in der EU sie schon eingeführt haben, 16 allerdings noch nicht, will sie die Sache jetzt von Brüssel aus regeln und hat am Montag einen Gesetzesvorschlag in die Ressortabstimmung gegeben. Er sieht vor, dass bis zum 1. Januar 2020 in den Aufsichtsräten börsennotierter europäischer Unternehmen mindestens 40 Prozent der Mitglieder weiblich sein sollen. Wer sich nicht daran hält, muss mit Sanktionen rechnen. Das Gesetz soll dabei nur für Großunternehmen gelten - also alle die, die mehr als 250 Mitarbeiter haben und mehr als 50 Millionen Euro Umsatz erwirtschaften.

+++ EU-Kommissarin Reding will gesetzliche Frauenquote +++

Reding hatte immer wieder betont, dass freiwillige Quotenregelungen keine Erfolge brächten - und damit auch auf Deutschland abgezielt.

Hier stehen sich vor allem zwei Lager gegenüber: Während die Opposition und selbst prominente Mitglieder der CDU eine feste Frauenquote befürworten, sprechen sich die zuständige Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) und auch Kanzlerin Angela Merkel für die sogenannte Flexi-Quote aus, bei der sich die Unternehmen zunächst eigene Zielmarken geben. Ein Gesetz will die schwarz-gelbe Koalition in dieser Legislaturperiode aber nicht mehr auf den Weg bringen.

Hier könnte sie nicht nur von Brüssel überholt werden, sondern auch vom Bundesrat. Hamburgs Justizsenatorin Jana Schiedek (SPD) hatte im Juni eine Gesetzesinitiative in die Länderkammer eingebracht, die ebenfalls eine 40-Prozent-Quote für Aufsichtsräte vorsieht. Bei der nächsten Sitzung am 21. September wird voraussichtlich darüber abgestimmt. Zwar wird über konkrete Details des Gesetzesentwurfs noch in den zuständigen Ausschüssen beraten, allerdings haben mittlerweile genug Länder ihre Zustimmung signalisiert, um ein Gesetzgebungsverfahren einzuleiten. "Die Diskussion um einen Richtlinienvorschlag aus Brüssel gibt unserer Initiative Rückenwind. Bisher habe ich sehr viele positive Rückmeldung für unseren Entwurf bekommen", sagte Schiedek dem Abendblatt. "Ich bin daher zuversichtlich, dass wir eine Mehrheit im Bundesrat erreichen."

Die Länder mit Regierungsbeteiligung von SPD, Grünen oder Linken kommen im Bundesrat auf 30 Stimmen - 35 wären notwendig, um das Gesetz einzubringen. Das von einer Großen Koalition regierte Sachsen-Anhalt, das vier Stimmen stellt, will den Hamburger Antrag nach Abendblatt-Informationen unterstützen. Das ebenfalls von CDU und SPD regierte Saarland steht der Zielrichtung von Schiedeks Initiative ebenfalls "grundsätzlich positiv" gegenüber, wie ein Sprecher des Justizministeriums auf Abendblatt-Anfrage betonte. Da über Details allerdings noch beraten wird, will man sich noch nicht auf ein endgültiges Abstimmungsverhalten festlegen. Mit dem Saarland kämen 37 Stimmen zusammen.

"Seit mehr als zehn Jahren gibt es in Deutschland eine Selbstverpflichtung der Unternehmen, mehr Frauen in Aufsichtsräte zu bringen. Doch der Anteil von Frauen ist immer noch verschwindend gering. Da muss man einsehen, dass es ohne eine gesetzliche Verpflichtung nicht geht", betonte Schiedek. Sie freue sich zudem, dass sich Reding für eine europaweite verbindliche Quote einsetze. "Die Zielrichtung deckt sich in weiten Teilen mit dem Hamburger Gesetzentwurf."

Schiedeks Entwurf, der genau genommen keine Frauen-, sondern eine Geschlechterquote ist, sieht vor, dass Aufsichtsräte börsennotierter und mitbestimmter Aktiengesellschaften ab 2018 mindestens zu 20 Prozent mit Frauen und Männern besetzt sind, 2023 dann zu 40 Prozent. Bei Nichteinhaltung der Quote ist eine steuerliche Sanktionierung geplant, und zwar in der Form, dass Aufsichtsratsvergütungen nicht mehr steuerlich geltend gemacht werden können.

Bei großen Firmen ginge das schnell in einen Millionenbereich. Vorgesehen sind aber auch Ausnahmeregelungen, etwa wenn die Arbeitnehmerschaft in einem Unternehmen zu 90 Prozent demselben Geschlecht angehört. Wenn ernsthafte Bemühungen für die Quote erfolglos bleiben, soll zudem eine Härtefallklausel greifen.

Ist der Hamburger Antrag im Bundesrat erfolgreich, wird er dem Bundestag zugeleitet. Hier haben Union und FDP die Mehrheit, allerdings gibt es eine ganze Reihe Koalitionspolitiker, die eine gesetzliche Frauenquote offen unterstützen - etwa auch Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU). Einige Unionsfrauen erwägen sogar einen fraktionsübergreifenden Gruppenantrag für eine Quote - und sind damit potenzielle Unterstützer für die Hamburger Gesetzesvorlage.