16° Celsius und Pulli an, sagt SPD-Mann Sarrazin. “Menschenverachtend“ bis “Hinweis zum Energiesparen“ lauten Reaktionen.

Berlin. Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) ist Berlins Mann für markige Sprüche. Wie kaum ein anderer deutscher Politiker äußert er seine Meinung mit einer Mischung aus Ironie, Ehrlichkeit und Unverfrorenheit. Jüngster Aufreger ist seine Empfehlung zum Energiesparen: "Wenn die Energiekosten so hoch sind wie die Mieten, werden sich die Menschen überlegen, ob sie mit einem dicken Pullover nicht auch bei 15 oder 16 Grad Zimmertemperatur vernünftig leben können", sagte er der "Rheinischen Post".

Der parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, Frank Henkel, meinte zu Sarrazin: "Die Sommerhitze scheint ihm nicht gut zu bekommen." Bei dem Pullover-Vorschlag handele es sich um einen von Sarrazins "üblichen abgehobenen Ratschlägen, die man nicht ernst nehmen kann". Die Grünen empfahlen ihm, "sich mal selber unter die kalte Dusche zu stellen".

Überspitzt formuliert findet auch der CSU-Bundestagsabgeordnete Norbert Geis den Vorschlag Sarrazins. Geis sagte dem Abendblatt aber auch: "Auf jeden Fall hat dieser Appell die Zielrichtung, dass wir alle mehr auf das Einsparen von Energie achten müssen." Statt warmer Kleidung empfiehlt Geis aber, den Menschen durch Steuersenkungen und die Wiedereinführung der vollen Kilometerpauschale mehr finanziellen Spielraum zu geben.

Sarrazin sieht keinen Anlass, seine Aussage zu revidieren. Sie sei "wohlabgewogen und in die ferne Zukunft gerichtet", bekräftigte er seinen Standpunkt. Wenn einmal die Heizkosten so hoch sein würden wie die Kaltmiete, dann werde sich tatsächlich die Frage nach niedrigeren Temperaturen in der Wohnung stellen. Den Empfängern von Arbeitslosenhilfe II würden die Heizkosten erstattet. Das genüge. "Der Staat kann nichts tun gegen steigende Energiepreise." Schließlich werde Erdgas, Kohle und Öl importiert. Die weltweite Nachfrage nach Energie werde dauerhaft steigen und damit auch die Preise.

Das DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach nannte Sarrazins Äußerung "menschenverachtend und nicht mehr hinnehmbar. Dieser Mann scheint unbelehrbar zu sein oder es darauf anzulegen, aus seinem Amt entfernt zu werden", sagte Buntenbach und fügte mit Blick auf den Berliner Regierungschef Klaus Wowereit (SPD) hinzu: "Wowereit und die SPD müssen Sarrazin endlich erfolgreich stoppen."

Sarrazin blieb gelassen. In seiner Jugend habe er es zu Hause bei 16 Grad ausgehalten. Und: "Die physiologische Verfasstheit des Menschen ist seit etwa 10 000 Jahren konstant."

Der Deutsche Mieterbund sieht das Problem anders. "Bei Zimmertemperaturen von 15 bis 16 Grad Celsius wird die Grenze zur Gesundheitsgefährdung überschritten", sagte Vizedirektor Lukas Siebenkotten. Auch drohten Feuchtigkeitsschäden und Schimmelpilz an den Wänden, wenn die Wohnung nicht ausreichend geheizt werde. Mieter hätten dann sogar mit Schadenersatzforderungen ihrer Vermieter zu rechnen.