Der Pflegebeitrag steigt auf 1,95 Prozent. Dafür wird die Arbeitslosenversicherung billiger. Ruheständler zahlen alles allein, sollen aber durch höhere Renten entlastet werden.

HAMBURG. Das sind die wichtigsten Änderungen der gestern beschlossenen Pflegereform:

  • Beiträge: Arbeitgeber und Arbeitnehmer zahlen je die Hälfte. Von 1,7 Prozent des Bruttoeinkommens steigt der Beitrag am 1. Juli 2008 auf 1,95 Prozent. Kinderlose zahlen wie bisher 0,25 Prozentpunkte zusätzlich. Um die Lohnnebenkosten niedrig zu halten, sinkt der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung schon zum 1. Januar 2008 von 4,2 auf 3,9 Prozent. Wer also 1000 Euro brutto im Monat verdient, zahlt für die Pflege statt 17 Euro künftig 19,50 Euro, wobei der Arbeitgeber die Hälfte zahlt. Die Arbeitslosenversicherung sinkt von 42 auf 39 Euro.

Für den Arbeitnehmer mit 1000 Euro brutto heißt das in der Summe 25 Cent weniger an Abgaben insgesamt: 1,25 Euro mehr für die Pflege zahlen, aber auch 1,50 mehr behalten. Wer 2000 Euro verdient, hat am Ende 50 Cent mehr im Portemonnaie. Bei 3000 Euro Bruttomonatsverdienst bleiben 75 Cent mehr. Wer 3562,50 Euro oder mehr im Monat verdient, muss wegen dieser Beitragsbemessungsgrenze in der Pflegeversicherung wie sein Arbeitgeber höchstens 4,46 Euro mehr als bisher bezahlen.

  • Rentner: Die Ruheständler zahlen die Pflegeversicherung allein und profitieren nicht von der Absenkung der Arbeitslosenversicherung. Als Ausgleich kündigte die Bundesregierung Rentenerhöhungen für 2008 an.
  • Pflegesätze: Zum ersten Mal seit 1995 werden die Pflegesätze schrittweise bis 2012 angepasst: Ambulante Pflege: In Stufe eins von 384 auf 450 Euro, in Stufe zwei von 921 auf 1100 Euro, in Stufe drei von 1432 auf 1550 Euro. Im stationären Bereich bleiben die Sätze in den ersten beiden Stufen gleich (1023 und 1279 Euro). In Stufe drei steigen sie von 1432 auf 1550 Euro und von 1688 auf 1918 Euro bei Härtefällen. Darüber hinaus zahlt die Pflegeversicherung Zuschüsse für Umbauten, Hilfsmittel und anderes. Häufig sind die tatsächlichen Kosten für die Pflege eines Angehörigen höher. Wenn das Geld nicht reicht, werden die Kinder oder die Eltern unterhaltspflichtig. Sind ihre Einkommen oder Vermögen zu niedrig, muss die Sozialhilfe für die Pflegekosten aufkommen.
  • Demenzkranke: Derzeit gibt es etwa zwischen einer Million und 1,2 Millionen Demenzkranke (zum Beispiel Alzheimer) in Deutschland. Nach verschiedenen Prognosen steigt ihre Zahl bis 2030 um eine halbe oder sogar eine Million. Der medizinische Fortschritt bei der Bekämpfung von Demenz ist allerdings dabei nicht berücksichtigt. Demenzkranke sollen statt höchstens 460 künftig bis zu 2400 Euro zusätzlich im Jahr erhalten können. Dieses Geld fließt auch, wenn sie in körperlich noch so guter Verfassung sind, dass sie nicht einmal in Pflegestufe eins eingruppiert werden.
  • Ambulant vor stationär: Dieser Grundsatz soll nach der Reform verstärkt gelten. Auf je 20 000 Einwohner einer Stadt soll ein sogenannter Pflegestützpunkt kommen. Damit sollen Wohngruppen gefördert werden. Kassen sollen außerdem leichter Verträge mit Einzelkräften schließen können, nicht nur mit Pflegediensten.
  • Pflegezeit: Angehörige von Pflegebedürftigen erhalten einen Anspruch auf bis zu sechs Monate unbezahlte Freistellung von der Arbeit. Für Betriebe mit bis zu zehn Beschäftigten ist eine solche Regelung freiwillig. Geprüft wird noch, ob es in Notsituationen die Möglichkeit geben soll, dass Angehörige wie bei kranken Kindern kurzfristig bis zu zehn Tage lang freigestellt werden können.
  • Rückstufung: Können Pflegebedürftige nach guter Behandlung in eine niedrigere Pflegestufe eingruppiert werden, erhalten die Heime dafür einmalig 1536 Euro. Die Qualitätssicherung soll ausgebaut werden.
  • Pflegezusatzversicherung: Gesetzliche Pflegekassen können Zusatzversicherungen anbieten.
  • Finanzen: Die erhöhten Pflegebeiträge entsprechen zusätzlichen Einnahmen von 2,5 Milliarden Euro pro Jahr. Bis zum Jahr 2014 oder 2015 sollen sie ausreichen, um die zusätzlichen Leistungen zu finanzieren. Nach einer Studie des Gesundheitsökonomen Reinhold Schnabel von der Universität Duisburg-Essen wächst die Zahl der Pfle¬¬gebedürftigen bis 2020 auf 2,7 Millionen. Das erhöht den Druck auf die Pflegekassen, weil voraussichtlich immer weniger Arbeitnehmer immer mehr Pflegebedürftige unterhalten müssen.