Regierung setzt auf mehr Transparenz bei Preisen, Frankreich verzichtet drezeit für drei Monate auf drei Cent Steuer, die Konzerne gehen mit.

Berlin. Wenn es darum geht, den Euro zu retten, wollen Deutschland und Frankreich auf keinen Fall gegeneinanderarbeiten. Man sieht sich als engste Partner, die voneinander lernen und aufeinander hören. Verlassen die Regierungen in Berlin und Paris allerdings das Thema der Gemeinschaftswährung, wird die Suche nach Gemeinsamkeiten schon schwieriger.

Völlig entgegengesetzter Meinung ist man beim Benzinpreis. Die Bundesregierung hält rein gar nichts von der Entscheidung der französischen Regierung, die Kraftstoffpreise mit einer Steuersenkung vorübergehend zu reduzieren. "Wir glauben nicht daran, dass eine Steuersenkung einen dauerhaft senkenden Effekt hätte", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert gestern in Berlin. Die Preise würden vermutlich nur sehr kurzfristig sinken.

An Frankreich will sich die Bundesregierung kein Vorbild nehmen, auch wenn die deutschen Autofahrer über jeden kurzfristig sinkenden Benzinpreis und ein paar Cent weniger an den Zapfsäulen sicher dankbar wären.

Während in Frankreich die Benzinpreise für drei Monate sinken sollen und der Staat dafür auf drei Cent pro Liter Mineralölsteuer verzichtet, sollen auch die Mineralölkonzerne auf je drei Cent verzichten. Die Branche hat sich in Frankreich auf den Pakt eingelassen, weil der Druck politisch und wirtschaftlich zu groß wurde. Schon in seinem Präsidentschaftswahlkampf hatte sich François Hollande für ein Einfrieren des Benzinpreises für drei Monate ausgesprochen, um die stagnierende Wirtschaft in Fahrt zu bringen. Dafür gehen dem Staat vorerst mindestens 300 Millionen Euro an Steuereinnahmen verloren. Präsident Hollande kann nur hoffen, dass die Maßnahme wie eine Konjunkturspritze ihre Wirkung entfaltet.

In Deutschland wäre ein solcher Benzinpreispakt zwischen Regierung und den Ölkonzernen derzeit schwer vorstellbar. Klaus Picard, Hauptgeschäftsführer des Mineralölwirtschaftsverbands (MWV), stellte im Abendblatt klar: "Kraftstoffpreise sind Weltmarktpreise, auf die ein deutscher Politiker keinen Einfluss hat." Dies gelte sowohl für den Rohölpreis, der seit Juli um 30 Prozent gestiegen sei, als auch für den Benzinpreis, sagte Picard. Klar sei: "Die Mineralölsteuer leistet einen wichtigen Beitrag zur Finanzierung der Aufgaben unseres Staates." Trotzdem dürfe der Verbraucher fragen, ob eine Ökosteuer auf Kraftstoffe, die bei einem Rohölpreis von rund zehn Dollar je Barrel Ende der 1990er-Jahre erfunden wurde, bei heute 110 Dollar je Barrel noch verkraftbar sei, so der MWV-Hauptgeschäftsführer.

Doch Schwarz-Gelb will an der Ökosteuer nichts mehr verändern. Auch eine Senkung der Mineralölsteuer kommt nicht infrage. Im verbraucherfreundlichen Umgang mit den Benzinpreisen habe die Bundesregierung "eigene Mittel", sagte Regierungssprecher Seibert. Er nannte die von der Regierung bereits beschlossene Meldepflicht für Benzinpreise, bei der Tankstellen, Händler und Raffinerien künftig verpflichtet sind, ihre An- und Verkaufspreise an eine neue Markttransparenzstelle weiterzugeben. Bisher weigert sich die Regierung, einer Forderung der Bundesländer nachzukommen, eine Benzinpreisbremse einzuführen. Der Bundesrat will die Tankstellenbetreiber dazu verpflichten, ihre Preise im Internet veröffentlichen zu lassen und von dem Veröffentlichungszeitpunkt an für 24 Stunden stabil zu halten. Die Linkspartei, üblicherweise ein Absender für Forderungen nach Steuererhöhungen, will die Autofahrer durch ein Drehen an der Mineralölsteuer entlasten. Linken-Fraktionsvize Ulrich Maurer forderte einen Pakt für sinkende Spritpreise. Dem Abendblatt sagte er: "Die Spritpreise müssen runter." Der Preiswucher an den Zapfsäulen müsse von zwei Seiten eingedämmt werden. Er schlug vor, dass der Staat das Zurückdrehen der Preisuhr durch einen Verzicht auf die "irrsinnige Doppelbesteuerung" finanziere. "Das bringt ein Preisminus von zwölf Cent für jeden Liter Super." Maurers Rechnung liegt der im Juli gemessene Wert für die Mineralölsteuer für Benzin in Höhe von 65,45 Cent zugrunde. Teil dieser Besteuerung sind 19 Prozent Mehrwertsteuer - und damit besagte rund zwölf Cent, die man sparen könnte. Gleichzeitig forderte Maurer, dass ein Preisstopp verhängt wird, "und Benzinpreiserhöhungen sind ab sofort nach Luxemburger Vorbild genehmigungspflichtig". Es müsse aufhören, dass der Finanzminister an der Abzocke der Ölkonzerne auf Kosten der Verbraucher auch noch mitverdiene.

Die sieben führenden Industrienationen (G7) forderten angesichts der gestiegenen Energiepreise eine Erhöhung der weltweiten Ölproduktion. Die G7-Finanzminister erklärten sich zugleich grundsätzlich bereit, strategische Ölreserven anzuzapfen, um negative Auswirkungen der Preise auf die globale Konjunktur zu verhindern. Die Internationale Energieagentur solle die notwendigen Schritte unternehmen, um eine vollständige Versorgung sicherzustellen, hieß es in einer Erklärung der G7-Staaten. "Der gegenwärtige Anstieg der Ölpreise spiegelt geopolitische Sorgen und bestimmte Versorgungsunterbrechungen wider." Die ölproduzierenden Länder sollten mehr fördern, um die Nachfrage zu stillen. Der Ölpreis kletterte zuletzt unter anderem wegen des Hurrikans "Isaac", der auf die US-Südküste zusteuerte.