Der Sozialdemokrat gehörte zu den prägenden Politikern der Nachkriegszeit

Berlin. Als sich Georg Leber 1986 auf dem Nürnberger SPD-Parteitag aus der aktiven Politik verabschiedete, hatten viele Delegierte Tränen in den Augen. Der frühere Minister und langjährige Gewerkschaftschef, der jetzt im Alter von 91 Jahren in Bayern gestorben ist, hat nicht nur die Sozialdemokratie entscheidend mitbeeinflusst. Der Arbeiterführer und "rechte Sozi" von altem Schlag, dessen Lebensmotto Teilhabe statt Klassenkampf lautete, zählte zu den maßgeblichen deutschen Politikern nach dem Krieg, der über Parteigrenzen hinweg geachtet wurde.

Der Wille zum Aufstieg prägte den Lebensweg von "Schorsch" Leber, wie der Maurersohn aus dem Westerwald von Parteifreunden genannt wurde. Er arbeitete selbst am Bau und wurde 1957 Chef der damals noch mächtigen IG-Bau-Steine-Erden. In dieser Zeit wurde tarifpolitisches Neuland betreten, wie das Schlechtwettergeld oder der erste Branchenvertrag über die Vermögensbildung der Arbeitnehmer.

Die politische Karriere des Wegbereiters der ersten Großen Koalition (1966-1969) verlief mit Höhen und Tiefen. Als Verkehrsminister setzte er Tempo 100 auf Landstraßen und die 0,8-Promille-Grenze für Blutalkohol beim Autofahren durch. Das Autobahnnetz verdoppelte sich in seinen sechs Amtsjahren. Auch als Nachfolger von Helmut Schmidt im Verteidigungsministerium seit 1972 setzte er wichtige Akzente. So wurden die Streitkräfte in seiner Amtszeit deutlich vergrößert, die ersten Frauen zu Sanitätsoffizieren ernannt und die Bundeswehr-Universitäten gegründet.

In seinem "Lieblingsjob", wie Leber das Amt nannte, verschaffte er sich wegen seines betont menschlichen Umgangs mit den Bundeswehr-Angehörigen den Ehrennamen "Soldatenvater". Mit seinem Rücktritt 1978 übernahm er die politische Verantwortung für einen ungenehmigten Lauschangriff des Militärischen Abschirmdienstes (MAD). "Hans, es ist alles bestellt. Du musst es nur noch bezahlen", sagte er seinem Nachfolger und Parteifreund Hans Apel bei der Übergabe.

Schon als Minister war Leber wegen seiner "Amerika-Treue" vom linken SPD-Flügel offen kritisiert worden. Er selbst beklagte schon früh eine schwindende Verankerung der Arbeiterschaft in der SPD-Spitze. Als ihm 1983 ein sicherer Listenplatz für die Bundestagswahl streitig gemacht wurde, schied Leber nach 26 Jahren aus dem Parlament aus. Mit seiner Frau zog sich Leber in sein Haus in Schönau am Königssee zurück. Im Frühjahr dieses Jahres wurde Leber, der seit Längerem an Alzheimer litt, in ein Pflegeheim gebracht.