Nach dem Rückzug von Annette Schavan stehen die Chancen gut für Landeschefin Julia Klöckner aus Rheinland-Pfalz: “Weiblicher Kurt Beck“.

Hamburg. Es gibt ein Foto, das viel über die Rolle Annette Schavans in der Bundesregierung aussagt. Ein Bild, das auch viel verrät, wie eng Schavan an der Seite von Kanzlerin Angela Merkel steht. März 2011, die Kanzlerin ist gemeinsam mit Schavan auf der Computermesse Cebit in Hannover unterwegs. Vorne auf dem Podium hält jemand eine Rede, als Merkel ihr Handy rüberreicht zu Schavan. Die Bildungsministerin lächelt leise, als sie die SMS auf dem Handy der Kanzlerin liest. Wenige Stunden später kündigt Karl-Theodor zu Guttenberg seinen Rücktritt als Verteidigungsminister an.

Annette Schavan ist noch die Stellvertreterin von Kanzlerin Merkel in der CDU. Doch am Wochenende erklärte sie ihren Verzicht auf eine erneute Kandidatur als Vizevorsitzende. 14 Jahre seien genug, sagte sie dem "Focus". Zuletzt sei mit der Modernisierung der Bildungspolitik eines ihrer Kernanliegen verwirklicht worden. "Jetzt ist also der richtige Zeitpunkt, mich aus der Parteiführung zurückzuziehen." Ihre "Lust auf Politik" sei aber ungebrochen. Doch mit ihrem Rückzug greift die enge Vertraute der Kanzlerin wohl auch einer möglichen Niederlage bei der Wahl vorweg. Schadet sie damit ihrer Partei und der Kanzlerin?

Schavan und Merkel sind in ihrer Art grundverschieden, doch sie unterstützen sich seit Langem. In der Debatte um die gefälschte Doktorarbeit von Guttenberg war Schavan in die Offensive gegangen. "Ich schäme mich nicht nur heimlich", sagte sie kurz vor dem Rücktritt. Beobachter sagen: Sie tat dies in Absprache mit der Kanzlerin. Und schon 2003, beim Ausschluss des CDU-Abgeordneten Martin Hohmann aus der Partei wegen dessen antisemitischer Äußerungen gab Schavan ihrer Parteichefin Flankenschutz. Seit dem Parteitag 1997 kennen sich die beiden. Schavan, die Westlerin, Katholikin aus dem Rheinland. Merkel, die evangelische Pfarrerstochter aus dem Osten.

+++ Annette Schavan: 14 Jahre an der CDU-Spitze sind genug +++

Nun also zieht sich Schavan aus dem Amt der Vizevorsitzenden zurück - auch um sich selbst aus der Schusslinie zu bringen, wie der CDU-Experte und Bonner Parteienforscher Gerd Langguth meint. Denn Schavan hatte schon vor der immer noch schwelenden Debatte über mögliche Plagiate in ihrer Doktorarbeit bei der letzten Wahl der vier Stellvertreter Merkels das schlechteste Ergebnis eingefahren. Zudem fehlt ihr der Rückhalt ihres eigenen Landesverbandes Baden-Württemberg, für den sie den Posten besetzt hatte. An einen Machtverlust für die CDU oder die Kanzlerin glaubt Langguth nicht. "Merkel ist zu gefestigt in ihrer Macht", sagte Langguth dem Hamburger Abendblatt. Schavan bleibe weiter Bildungsministerin, sie bleibe Freundin von Merkel und auch "strategische Partnerin der Kanzlerin", hob der Politologe hervor.

Vielleicht geht die Partei nun sogar gestärkt aus der neuen Personaldebatte hervor. Der baden-württembergische Landesvorsitzende Thomas Strobl meldete für seinen Landesverband wieder einen Anspruch an. Chancen werden aber auch der rheinland-pfälzischen Landesvorsitzenden Julia Klöckner eingeräumt. "Ich bin mir sicher, dass Julia Klöckner die Nachfolge von Schavan als Vizevorsitzende der CDU antreten wird", sagte Langguth. Mit ihrer Wahl wolle die CDU die Position von Klöckner noch weiter stärken, denn sie sei "eine aufstrebende Größe in der Partei". Klöckner sei ernste Konkurrentin für Kurt Beck. "Sie ist für Rheinland-Pfalz der weibliche Kurt Beck." Solche Kräfte brauche die CDU, so Langguth.