Religiosität nimmt bei den Jungen laut Studie zu. Widersprüchliche Ergebnisse zu Integrationswillen

Berlin. Die junge Generation der Deutschtürken lebt laut einer Umfrage zwischen den Kulturen: Knapp 70 Prozent der 15 bis 29 Jahre alten, in Deutschland lebenden Türken geben an, sich in Deutschland als Türken, hingegen in der Türkei als Deutsche zu fühlen. Das ist ein Ergebnis der am Freitag in Berlin vorgestellten repräsentativen Umfrage des Instituts Info Markt- und Meinungsforschung GmbH. Die Verfasser der Studie stellten bei der jungen Generation zudem eine Tendenz zur Religiosität fest - diese könnte eine Folge des "Lebens zwischen den Welten" sein, sagte Institutsgeschäftsführer Holger Liljeberg.

Rund 64 Prozent der 15 bis 29 Jahre alten in Deutschland lebenden Türken geben demnach an, "religiös" oder "streng religiös" zu sein - sieben Prozentpunkte mehr als etwa in der Altersgruppe der 30- bis 49-Jährigen. Fast die Hälfte (46 Prozent) wünscht sich, dass in Deutschland irgendwann mehr Muslime als Christen wohnen. Zugleich ist der Anteil derer, die regelmäßig beten, unter den jungen Deutschtürken geringer als unter den älteren.

Leicht zugenommen hat die Anzahl derer, die den Islam als "einzig wahre Religion" bezeichnen. 72 Prozent der Befragten stimmten dem zu. Rund zwei Drittel der 15- bis 29-Jährigen mit türkischem Migrationshintergrund begrüßten auch die kostenlose Koranverteilung der Salafisten in den vergangenen Monaten. Etwa die Hälfte aller Befragten sprach sich dafür aus, mehr Moscheen in Deutschland zu bauen. Die Ressentiments gegenüber Juden und Atheisten haben laut Studie in den vergangenen zwei Jahren zugenommen. Ein Viertel der Befragten stimmte der Aussage zu, dass Atheisten minderwertige Menschen seien. Das Image der Christen hingegen hat sich leicht verbessert, acht Prozent der Deutschtürken beurteilen diese abwertend.

Deutschtürken hätten ein "ziemlich verklärtes Türkeibild", sagte Info-Geschäftsführer Holger Liljeberg. Die Befragten beurteilten die Türkei und Deutschland hinsichtlich Modernität, Wirtschaftskraft, Bürokratie und Arbeitsmöglichkeiten annährend gleich. Die Türkei wurde jedoch als toleranter und freizügiger gesehen als Deutschland. In Deutschland sei hingegen die soziale Absicherung besser, es herrsche mehr persönliche Sicherheit und Freiheit und die Verfassung und Gesetzgebung seien moderner.

Nachweisbar geändert hat sich der Studie zufolge das Frauenbild der in Deutschland lebenden Türken: Nur noch 49 Prozent der Befragten gaben an, es sei wichtiger, dass Frauen sich um Haushaltsführung und Kindererziehung kümmern, als berufstätig zu sein. Das waren acht Prozentpunkte weniger als noch 2009. Stark vorhanden sind aber Ressentiments gegenüber gesellschaftlichen Gruppen: Mehr als die Hälfte der Deutschtürken sieht Homosexualität als "Krankheit" an.

Mit Blick auf den Integrationswillen der Befragten ergab die Studie widersprüchliche Ergebnisse: Rund 78 Prozent der Deutschtürken erklärten, sich "unbedingt und ohne Abstriche in die deutsche Gesellschaft integrieren" zu wollen (2010 waren es nur 70 Prozent). Zugleich äußerten 62 Prozent, sie seien "am liebsten nur mit Türken zusammen".

Junge Deutschtürken sahen sich auch häufig als Opfer von Diskriminierungen: Fast die Hälfte von ihnen gab an, in der Öffentlichkeit Beschimpfungen aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit erlebt zu haben. Knapp 20 Prozent sind nach eigenen Angaben in der Vergangenheit gar aufgrund ihrer türkischen Abstammung Opfer von körperlichen Angriffen geworden.