Berlins Regierungschef muss sich nach der Bruchlandung bundesweit als Versager prügeln lassen. Doch der Machtpolitiker will auch in der Krise nicht aufgeben

Berlin. Für sein Pokerface ist er bekannt. Im Gesicht von Klaus Wowereit (SPD) spiegeln sich weder Unsicherheit noch Ärger oder Selbstzweifel. Berlins Regierender Bürgermeister gibt sich gelassen, obwohl er wegen der verschobenen Flughafen-Eröffnung mächtig unter Druck steht. Die Einschätzung, ein zum dritten Mal verschobener Start des neuen Hauptstadtflughafens könnte auch seine Zukunft als Chef des Roten Rathauses, zumindest aber des Flughafen-Aufsichtsrats besiegeln, weist Wowereit weit von sich. "Ich glaube nicht, dass der Aufsichtsratschef dafür verantwortlich ist, welcher Termin technisch umsetzbar ist", sagt er.

Die Eröffnung musste bereits zweimal wegen Problemen mit der Brandschutzanlage verschoben werden. Inzwischen sickerte durch, dass der Flughafen im Juni erst zu 56 Prozent betriebsbereit gewesen wäre. Die Kosten explodierten um 1,17 Milliarden auf 4,5 Milliarden Euro, Gerüchte von der Pleite der Flughafengesellschaft machen die Runde. Und voraussichtlich wird heute auf der Aufsichtsratssitzung auch der avisierte neue Starttermin 17. März 2013 nicht bestätigt.

Jeder Bauherr müsse darauf setzen, "dass die Fachleute Vorgaben machen, die einhaltbar sind". Schließlich könne man nicht erwarten, dass Politiker die Arbeit der Geschäftsführung machten, argumentiert der Chef. Doch wer Wowereit kennt, weiß, dass seine Gelassenheit aufgesetzt ist. Kein Projekt seiner inzwischen mehr als elfjährigen Amtszeit hat der SPD-Politiker so als "sein Baby" gefördert wie einen internationalen Flughafen für die Hauptstadt. Kübel von Häme und Spott wurden in den Medien wie von der Opposition über Wowereit ausgegossen. Berlin habe immer eine große Klappe wie sein Regierungschef, halte sich für sexy, bringe aber nichts zustande.

Das tropft an dem bisher so beliebten Regierungschef nicht einfach ab. Dafür ist er auch hinter seiner oft als lust- und inspirationslos kritisierten Laissez-faire-Haltung zu ehrgeizig. Höhen und Tiefen hat es viele in Wowereits Karriere gegeben. Aber noch nie ist der Bundes-SPD-Vize in ein so tiefes Tal gestürzt wie jetzt. Um 18 Punkte rutschte der Berliner Senatschef in der Sympathieskala ab.

Als Aufsichtsratschef mit dem Ruf eines politischen Paradiesvogels ist es Wowereit, dem die gesamte Verantwortung für die so kostenträchtige Verschiebung im 15-köpfigen Gremium angelastet wird. Die anderen beiden Gesellschafter in Gestalt von Brandenburgs Ministerpräsidenten Matthias Platzeck (SPD) und Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) kommen bemerkenswert unbeschadet heraus. Doch Wowereit wäre nicht Wowereit, wenn er jetzt alles hinschmeißen würde, wie einige in der Berliner SPD-Spitze befürchten. Bevor nicht die ersten Flugzeuge vom neuen Airport abheben, verlässt er nicht die Kommandobrücke. Der Mann, der sich ähnlich wie Altkanzler Gerhard Schröder (SPD) aus ärmlichsten Verhältnissen hochgekämpft hat, beharrt in solchen Krisensituationen. Heftige Attacken wecken regelmäßig seinen Kampfgeist.

Diesen Kampfgeist, seine Sturheit, seinen unbändigen Aufstiegswillen, aber auch seinen Pragmatismus - das alles habe ihm seine Mutter, die Putzfrau Hertha Grüner, mit auf den Lebensweg gegeben, schrieb der SPD-Politiker 2007 in seiner Autobiografie. Nur so ist zu erklären, dass der sich gern als links gerierende SPD-Politiker erst zehn Jahre mit der Linken regiert hat und dann zur CDU gewechselt ist, um die Berliner SPD und sich an der Macht zu halten. "Dämmern wollten mich schon viele", spottete Wowereit unlängst bei einem SPD-Parteitag in Anspielung auf die von der Opposition für ihn ausgerufene "Götterdämmerung". "Gelungen ist es noch keinem."