Kritik am Konzept der Arbeitsministerin von der Leyen belastet Koalitionsklima

Berlin/Hamburg. Bei ihren Vorschlägen für eine Rentenreform bewegt sich Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) politisch auf dünnem Eis. Obwohl sie nach Auskunft von Regierungssprecher Steffen Seibert die Unterstützung von Bundeskanzlerin Angela Merkel hat, laufen Unternehmen, Gewerkschaften, die FDP und Teile der Union Sturm gegen das Gesetzespaket. Wann die neuen Regeln einer Zuschussrente für Bedürftige und die Beitragssenkung beschlossen werden, ist schleierhaft. Von der Leyen will ihr Paket am 29. August ins Kabinett einbringen. Die FDP hat mehr Bedenkzeit gefordert. Parallel hat der Hamburger IT-Unternehmer Tim Wessels eine erfolgreiche Online-Petition beim Bundestag erwirkt. Wessels lehnt eine Pflichtversicherung für Selbstständige ab.

Klar ist: Zum Jahresbeginn 2013 müssen die Beiträge zur gesetzlichen Rente sinken. Dazu bedarf es nur eines Federstrichs der Regierung. Denn die Reserven liegen über dem 1,5-Fachen einer Monatsausgabe. Die Absenkung von 19,6 auf 19,0 Prozent brächte einem Angestellten mit 3000 Euro brutto rund neun Euro mehr im Monat. Die Unternehmen beharren auf dieser gesetzlich vorgesehenen Entlastung, die Gewerkschaften wollen die Reserven der Rentenkasse lieber sichern und den Beitrag mittelfristig stabil halten.

Trotz der Kritik von Wirtschaftsexperten der Union unterstützt der Arbeitnehmerflügel der CDU die Ministerin: Rentenexperte Peter Weiß sagte, man könne nicht ewig diskutieren. Wenn die FDP dem Paket nicht zustimme, "gibt es vielleicht keine Beitragssenkung". Damit wird der Koalitionspartner geködert - und es wird gedroht.

Abseits der neuen Belastungen für das Koalitionsklima lehnen die Liberalen auch von der Leyens Modell einer Zuschussrente ab. Wer 40 Jahre rentenversichert war, davon 30 Jahre Beiträge gezahlt oder Kinder erzogen hat, soll eine Mindestrente von 850 Euro erhalten, wenn er auch privat vorgesorgt hat. Kindererziehungszeiten werden künftig stärker honoriert. Für diese "versicherungsfremde" Leistung braucht die Rentenversicherung aber zusätzliche Steuer-Milliarden.

Die Linken werfen der schwarz-gelben Bundesregierung vor, die geplante Angleichung der Renten in Ost und West weiter zu verzögern. Parteichef Bernd Riexinger sagte dem Abendblatt: "Frau Merkel hat 2009 auf dem Seniorentag eine Lösung für diese Legislaturperiode versprochen. Seitdem wurde viel geredet, passiert ist nichts. Das ist Wahlbetrug. Die Lebensleistung der Menschen im Osten muss endlich gerecht bewertet werden. Wir wollen eine stufenweise Angleichung an das Westniveau innerhalb der nächsten fünf Jahre. Die Zeit drängt. Wenn Merkel sich nicht bewegt, werden die Ostrenten Wahlkampfthema."