Schweizer Banken sollen hinterzogene Steuern verschoben haben. Hamburgs früherer Bürgermeister Ortwin Runde nennt Abkommen wertlos.

Hamburg/Berlin. Während der Streit um den Ankauf von Daten deutscher Steuersünder sich weiter verschärft, hat Nordrhein-Westfalens Finanzminister Walter Borjans (SPD) erstmals bestätigt, dass die Fahnder Hinweise auf weitere Tricks der Schweizer Banken haben. Dadurch solle das umstrittene, von den Bundesländern noch nicht ratifizierte Steuerabkommen zwischen Berlin und Bern unterlaufen werden. Borjans sagte dem ZDF, die NRW-Fahnder hätten "Hinweise darauf, dass jetzt schon in großem Stil natürlich darüber nachgedacht wird, wie das Geld, das in der Schweiz geparkt ist und das für die Banken eine wichtige Finanzierungsgrundlage ist, erhalten werden kann."

Er bestätigte, es gebe Ermittlungen gegen Banken und ihre Mitarbeiter, "die ganz offensichtlich ganz systematisch Produkte entwickeln", um Deutsche anzulocken, damit sie ihr Geld an der Steuer vorbei in der Schweiz anlegen. Dabei führt offensichtlich eine Spur nach Singapur. Noch bevor das Steuerabkommen in Kraft treten kann, wollen offensichtlich Schweizer Banken das bei ihnen geparkte Schwarzgeld in den Stadtstaat verschieben.

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Wie die "Financial Times Deutschland" berichtet, gebe es dafür Hinweise in den Daten, die NRW angekauft hat. Bank-Mitarbeiter würden sogar darin geschult, deutschen Kunden die neue Steuervermeidungsstrategie schmackhaft zu machen. Bis zum geplanten Inkrafttreten der neuen Regeln Anfang 2013 bleibt nicht viel Zeit für Steuersünder. Die Großbank UBS aus Zürich dementierte: "UBS bietet den Kunden keine Unterstützung bei Handlungen, die der Umgehung ihrer Steuerpflichten dienen", erklärte ein Sprecher.

UBS hatte im Jahr 2009 in einem Vergleich mit den US-Behörden gut 600 Millionen Euro gezahlt, weil die Bank Amerikanern bei der Steuerhinterziehung half. Im Rahmen dieser Auseinandersetzung waren auch Namen an die US-Fahnder übergeben worden. Das ist im schweizerisch-deutschen Steuerabkommen nicht geplant. Hier sollen die Steuersünder anonym bleiben. Aber es gibt eine pauschale Nachbesteuerung in Höhe von 21 bis 41 Prozent.

Hamburgs ehemaliger Bürgermeister Ortwin Runde (SPD) hat derweil ein Verbot geschäftlicher Tätigkeiten von schweizerischen Banken im Euro-Raum gefordert, sollten die Unternehmen weiterhin der Steuerhinterziehung Vorschub leisten. Die schweizerischen Banken müssen dem in der OECD vereinbarten Informationsgebot bei Finanztransaktionen nachkommen, ansonsten sollte ihnen die geschäftliche Betätigung im Euro-Raum verboten werden", sagte Runde dem Abendblatt.

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Die EU könne sich an den USA orientieren, die an Steuerhinterziehung beteiligten Schweizer Banken angedroht haben, ihnen die Geschäftstätigkeit in den USA zu verbieten. "Ich habe etwas gegen Räuberburgen und Steueroasen", sagte Runde und bezog in seine Kritik auch Liechtenstein und Luxemburg ein. "Ich kann mich nicht über die griechischen Reichen aufregen, die Geld nach London oder Berlin transferieren, und zugleich sagen, bei Kapitalflucht in die Schweiz darf ich nichts machen." Das von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) ausgehandelte Abkommen sei nichts wert. "Es wird bei Weitem nicht das bringen, was die Betroffenen an Steuern redlich zahlen müssten."

Experten rechnen mit etwa zehn Milliarden Euro für den Bundeshaushalt. Hinzu kommen künftige Einnahmen aus der Quellensteuer. Kritiker aus der FDP sprechen von "Hehlerei". Nordrhein-Westfalen handele "nicht auf eigene Faust", so Finanzminister Borjans. Das Bundeszentralamt für Steuern sei immer eingeschaltet, die höchstrichterliche Rechtsprechung habe das Vorgehen gebilligt. Ein "einstelliger Millionenbetrag" sei für Daten aus Schweizer Banken ausgegeben worden. Durch die Ankäufe seien 300 Millionen an hinterzogenen Steuern in die Kassen von Bund und Ländern gespült worden. In Baden-Württemberg haben sich in den vergangenen zwei Jahren 9361 Bürger selbst angezeigt, die offensichtlich ihren Namen auf einer Steuerdaten-CD vermuteten. In Hamburg gibt es im Durchschnitt jeden Tag eine Selbstanzeige. Niedersachsen will keine Steuer-CDs ankaufen, um das Steuerabkommen nicht zu gefährden.

Denn die Schweizer sind erheblich verschnupft. "Das ist nicht konform mit dem Abkommen, das wir verhandelt haben", sagte der Sprecher des Eidgenössischen Finanzdepartements, Roland Meier, dem Abendblatt. Der Sprecher von Ministerin Eveline Widmer-Schlumpf, die gleichzeitig Bundespräsidentin ist, hat Verständnis dafür, dass die deutsche Bundesregierung nicht auf das Verhalten der Länder einwirken kann. "Wir sind aber zuversichtlich, dass das Abkommen noch ratifiziert wird." Allerdings läuft derzeit in der Schweiz eine Initiative, um das Steuerabkommen zum Volksentscheid zu bringen. 50 000 Unterschriften sind dazu notwendig. Es wird erwartet, dass die Schweizer Bürger im November über den Vertrag mit Deutschland entscheiden. Bundespräsidentin Widmer-Schlumpf hat gegenüber den Deutschen allerdings bereits klargemacht, dass es keine Nachverhandlungen geben werde: "Dieses Abkommen oder keins."

Der Chef der Deutschen Steuergewerkschaft, Thomas Eigenthaler, sprach sich für den Ankauf weiterer Daten aus. "Das Steuerabkommen löst kein Problem. Es deckt die Probleme zu", sagte Eigenthaler. "Mit diesem Abkommen ist weiter das Bunkern von Schwarzgeld in der Schweiz möglich. Und deshalb lehnen wir es ab."