Der “Butler“ des DDR-Staatschefs hat die Marotten seines Dienstherrn aufgeschrieben. Essen musste einfach, heiß und deutsch sein. Alles Fremde verunsicherte ihn

Berlin. "Morgen" oder "Tach" - das waren die einzigen Worte, die DDR-Staatschef Erich Honecker für seinen "Butler" übrighatte. Und dies zwölf Jahre lang. So lange - von 1972 bis 1984 - war Lothar Herzog der persönliche Kellner des SED-Funktionärs. Dabei hielt er sich an die Weisung seiner Vorgesetzten in der HA PS (Hauptabteilung Personenschutz) beim Ministerium für Staatssicherheit, "nur zu antworten, wenn ich gefragt werde. Und da er mich nie fragte, gab es auch keinen Anlass, dass wir uns unterhielten." Das erzählt der 68-Jährige in dem Buch "Honecker privat. Ein Personenschützer erzählt", das der Verlag Das Neue Berlin anlässlich des 100. Geburtstags von Honecker am 25. August auf den Markt bringt.

Herzog hat für das leibliche Wohl von Honecker und dessen Familie in der Waldsiedlung Wandlitz bei Berlin gesorgt. Er begleitete ihn auf Reisen in mehr als 30 Länder der Welt, darunter etwa 400-mal nach Moskau, bediente bei Banketts, Jagden, Empfängen und lernte dabei die Marotten des mächtigsten Mannes der DDR kennen.

Honeckers Tag begann immer mit dem Saft einer Zitrone - "pur und ungesüßt". Mit dieser Vitaminbombe wollte er sich vor Grippe und anderen Infektionen schützen. Aus Angst vor Ansteckung mied er möglichst Körperkontakt - vor allem dann, wenn sich Anzeichen einer Erkältung zeigten. "Jedes Shakehands, und bei Empfängen musste er besonders viele Hände schütteln, trieb ihn auf die Toilette, wo er sich intensiv die Hände wusch", erzählt Herzog in seinem Buch.

Auf die Bitte, Honecker in einem Satz zu charakterisieren, sagt Herzog: "Er war ein sehr bescheidener Mensch." Der Aufwand, der um seine Person betrieben wurde, sei ihm eher unangenehm gewesen. Aber Honecker habe nichts unternommen, das zu unterbinden. In dem Maße, wie sein Umfeld dafür sorgte, dass es dem Staatschef an nichts mangelte, verlor dieser den Blick für die Realität. Honecker liebte Langnese-Honig, DAB-Bier aus der Dose und Nescafé. Seine Lieblingsessen waren Buletten mit Bratkartoffeln, Kassler und Kartoffelsuppe. Wild, Fisch und Nachspeisen lehnte er ab. Die Speisen mussten nur drei Anforderungen erfüllen: Sie mussten einfach, heiß und deutsch sein. "Ein Genussmensch war er bestimmt nicht", schreibt Herzog.

Das bezog sich nicht nur aufs Essen. Auslandsreisen sollten möglichst kurz sein, denn Honecker liebte die vertraute Umgebung. Seine längste Reise ging 1977 über zwölf Tage nach Fernost. "Die Fremde und Fremde verunsicherten ihn", schreibt Herzog. Urlaub machte Honecker am liebsten auf der Ostsee-Insel Vilm mit immer gleichem Tagesablauf, "mit der Unerbittlichkeit eines Uhrwerks". Genauso verlief das Leben im abgeschotteten Wandlitz.

"EH zeigte nie Gefühle", heißt es im Buch. Aufgetaut sei er nur bei Feiern in der Sowjetischen Botschaft und auf der Jagd. "Normale menschliche Regungen" zeigten die Honeckers erst als Großeltern. Erichs "abgöttische" Liebe zu seinem Enkel Roberto führte schließlich zum Ende der Karriere Herzogs als "sozialistisches Mainzelmännchen". Eine despektierliche Äußerung über den Cocker Spaniel Flex, der nur für den Enkel angeschafft worden war, führte von einem Tag auf den anderen zur Verbannung. Herzog, der sich vom Kellner zum Serviermeister qualifiziert hatte und bis zum Hauptmann der Stasi befördert worden war, hielt sich auch danach an die Order seiner Vorgesetzten, "Erich Honecker nie wieder unter die Augen zu treten". Er arbeitete dann als Oberkellner im Palast der Republik und später im Berliner ICC.