Der SPD-Vize: “Man findet kaum jemanden, der mit über 60 Jahren noch arbeitet.“ CDU will Sozialbeiträge nicht so stark senken wie geplant.

Berlin. In SPD und Union ist eine heftige Debatte um die Rente mit 67 und die Reserven der Deutschen Rentenversicherung entbrannt. Obwohl die Verlängerung der Lebensarbeitszeit von der rot-grünen Bundesregierung unter Gerhard Schröder (SPD) beschlossen wurde, hält Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) dies derzeit für falsch. "Denn die Realität in den deutschen Unternehmen sieht anders aus", sagte Wowereit. "Man findet kaum jemanden, der mit über 60 Jahren noch arbeitet. Solange die alte Altersgrenze von 65 Jahren nicht erreichbar ist, bleibt die Diskussion um deren Heraufsetzung bigott und greift zu kurz."

Allerdings sind nach neuen Zahlen der Bundesregierung 40,8 Prozent der 60- bis 64-Jährigen noch im Job. Die Zahl ist in den vergangenen Jahren wieder leicht angestiegen. Das Institut zur Zukunft der Arbeit (Bonn) sieht wieder deutlich mehr Chancen für Ältere auf dem Arbeitsmarkt. Ministerin Ursula von der Leyen (CDU) forderte die Unternehmen mehrfach auf, sich auf die demografischen Herausforderungen einer alternden Gesellschaft einzustellen. Der Arbeitgeberverband Gesamtmetall kritisierte Wowereits Haltung. "Klaus Wowereit ignoriert nicht nur die Politik früherer Jahre, sondern irrt auch bei der Bestandsaufnahme", sagte der Geschäftsführer und Chefvolkswirt des Verbandes, Michael Stahl. "Inzwischen ist die flächendeckende Frühverrentung abgeschafft - prompt ist der Anteil älterer Beschäftigter stark gestiegen." In der Metall- und Elektroindustrie habe sich der Anteil der Belegschaft in der Altersklasse 60 plus innerhalb eines Jahrzehnts mehr als verdoppelt und liege inzwischen bei rund fünf Prozent. Stahl sprach von einer "positiven Entwicklung". Wowereit forderte ein sozial ausgewogenes und finanzierbares Rentenkonzept. "Entscheidend, um Altersarmut zu vermeiden, sind vernünftige Löhne, die im Erwerbsleben gezahlt werden", sagte der SPD-Bundes-Vize. Deshalb kämpfe die SPD für einen Mindestlohn von 8,50 Euro. "Wer mit einer 40-jährigen Erwerbsbiografie nicht in der Lage ist, ein vernünftiges Rentenniveau zu erreichen, hat keinen ausreichenden Lohn bekommen." Die Rentendiskussion sei deshalb nicht vom Arbeitsmarkt zu trennen. Es gehe nicht allein um die Frage des Renteneintrittsalters oder der Rentenhöhe.

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In der SPD positionieren sich die Flügel der Partei für den Bundestagswahlkampf 2013. Da die Sozialdemokraten die Rente und die soziale Gerechtigkeit zu einem großen Thema machen wollen, wird die Frage wichtig, wie sie sich zu den Reformen der Schröder-Ära stellen.

Unterdessen sperren sich Teile der Union gegen die geplante Absenkung der Beiträge zur Rentenversicherung und damit gegen eine Entlastung von Arbeitnehmern und Unternehmen. Nach gesetzlich festgelegten Regeln muss der Beitrag in die Rentenkasse von 19,6 auf voraussichtlich 19,0 Prozent vom Monatsbrutto Anfang 2013 sinken. Die Reserven der Rentenversicherung haben am Jahresende das 1,5-Fache einer Monatsausgabe überschritten. "Wir sollten den Beitrag bei 19,6 Prozent lassen, damit hätten wir mindestens zehn Jahre garantierte Beitragsstabilität", sagte der Chef des CDU-Sozialflügels CDA, Karl-Josef Laumann, den Zeitungen der WAZ-Mediengruppe.

Auch der saarländische Sozialminister Andreas Storm (CDU) nannte es sinnvoller, den Beitrag stabil zu halten und so weitere Rücklagen in der Rentenversicherung anzusparen. Storm schloss eine Bundesratsinitiative des Saarlands nicht aus, um die Mindestreserve der Rentenkasse zu erhöhen. Gegen eine Beitragssenkung wandten sich auch die Vorsitzenden der Jungen Union und der Senioren-Union, Philipp Mißfelder und Otto Wulff. Peter Weiß (CDU), Rentenexperte der Unionsfraktion, plädierte dafür, die Mindestreserve der Rentenkasse wieder auf drei Monatsausgaben zu verdoppeln und den Beitrag stabil zu halten.