Die Bundeswehrsoldaten in Afghanistan dürfen ab sofort ihre Waffen häufiger einsetzen und auch auf flüchtende Angreifer schießen.

Berlin. Das wurde in der überraschend schnell erarbeiteten Neufassung der Einsatzregeln verankert, über die das Verteidigungsministerium gestern in Berlin informierte.

Ressortchef Franz Josef Jung (CDU) unterschrieb die neue "Taschenkarte", wie das Dokument in der Militärsprache genannt wird, am vergangenen Freitag. Ob dies im Zusammenhang mit der am 19. Juli gestarteten, bisher größten deutsch-afghanischen Militäroffensive in Nordafghanistan steht, ließ das Ministerium offen. Bislang durften deutsche Soldaten auch dann nicht schießen, wenn Angreifer sich zurückzogen und von ihnen eine weitere Attacke zu erwarten war.

Der Ministeriumssprecher erklärte, in der neuen Taschenkarte seien die Prioritäten in Gefechten "für den einfachen Soldaten" schlüssiger herleitbar, vereinfacht und deutlicher formuliert worden. "Vor allem der Aspekt, dass nicht erst auf einen Angriff gewartet werden muss, um verhältnismäßig militärische Gewalt gegensetzen zu können, sondern durchaus auch präventiv gearbeitet werden darf." Vor zu erwartenden Angriffen dürfen "geeignete Maßnahmen" angewandt werden.

Der FDP-Politiker Rainer Stinner betonte: "Die Änderungen an der Taschenkarte sind Erweiterungen, nicht nur Klarstellungen. Das darf der Öffentlichkeit nicht vorenthalten werden." Die Taschenkarte hätte schon vor Jahren neu gefasst werden müssen. "Es ist unverständlich, warum bisher ein deutscher Soldat in Afghanistan weniger Befugnisse hatte als ein Polizist in Deutschland", sagte Stinner. Der CDU-Verteidigungsexperte im Bundestag, Bernd Siebert, sagte, auch weiterhin dürften die Soldaten von der Schusswaffe nur nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und nur im äußersten Fall Gebrauch machen. Siebert sagte ferner, zu hoffen bleibe, dass die neuen Grundsätze auch mehr Klarheit für staatsanwaltschaftliche Ermittlungen schafften. Es sei unwürdig, wenn Soldaten, die im hoheitlichen Auftrag die Schusswaffe eingesetzt hätten, Monate auf den Abschluss des Verfahrens gegen sie warten müssten.