SPD setzt auf Ausgleich von Überhangmandaten. Experten glauben nicht an zügige Reform

Berlin. Das vom Bundesverfassungsgericht gekippte Wahlrecht soll schnell neu geregelt werden. Die schwarz-gelbe Regierungskoalition strebt dabei eine Einigung mit SPD und Grünen an. "Unser Angebot steht, bereits Ende August/Anfang September mit den anderen Fraktionen in die politischen Verhandlungen zum Wahlrecht einzutreten", sagte der parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Michael Grosse-Brömer (CDU).

Das Bundesverfassungsgericht hatte das erst vor einigen Monaten reformierte Bundeswahlgesetz am Mittwoch in zentralen Punkten für verfassungswidrig erklärt. Das Wahlrecht muss nun rasch neu gestaltet werden. Die wichtigste Veränderung betrifft die umstrittenen Überhangmandate. Bei der Bundestagswahl 2009 gab es davon 24 - alle gingen an die Union. Das Verfassungsgericht setzte nun eine "zulässige Höchstgrenze" von 15 Überhangmandaten fest. CDU-Fraktionsvize Günter Krings kritisierte diese Entscheidung als "nicht begründet". "Die Zahl ist eine reine Setzung", sagte er. "Ich fände es schön, wenn das Gericht die Begründungsanforderungen, die es in den letzten Jahren ständig an den Gesetzgeber stellt, selbst genauso ernst nehmen würde", so Krings.

Auch die SPD will rasch in Verhandlungen treten. "Wir sind zu Gesprächen bereit", erklärte der parlamentarische Geschäftsführer Thomas Oppermann in einem Brief an die sozialdemokratischen Bundestags-Abgeordneten. Die schwarz-gelbe Koalition habe mit ihrem Vorgehen einen rechtsfreien Raum geschaffen. "Das müssen wir zügig ändern", heißt es in dem Schreiben. Nach Ansicht von Experten könnte das Urteil auch Auswirkungen auf das Wahlrecht in einigen Bundesländern haben. Der Düsseldorfer Staatsrechtler Sebastian Roßner sagte: "Die Chancengleichheit der Parteien gilt auch in den Ländern." Konsequenzen würden aber nur dort drohen, wo es keinerlei Ausgleichsmandate gibt.

Für die kommende Landtagswahl in Rheinland-Pfalz gab Landtagssprecher Dieter Lang bereits Entwarnung. Theoretisch könne es zwar Überhangmandate geben. Diese würden dann aber gemäß dem Landeswahlgesetz ausgeglichen. "Das heißt: Es gibt mehr Sitze, aber entsprechend der erreichten Zweitstimmen im Land."

Der Mainzer Parteienforscher Jürgen Falter rechnet mit einer langwierigen Überarbeitung des Gesetzes. "Ich sehe schwarz, dass die Entscheidung schnell umgesetzt wird, obwohl das in den Grundzügen eigentlich über ein Wochenende geschehen könnte." Den Parteien werde eine schnelle Umsetzung "aus machtpolitischen Motiven" schwerfallen. Nach dem Karlsruher Urteil gibt es derzeit kein gültiges Wahlrecht für den Bundestag. Eine Neuregelung muss spätestens bis zur Bundestagswahl im Herbst des kommenden Jahres vorliegen.