Vorbild Frankreich: Gewerkschaften und SPD wollen die Vermögenden im Land stärker an der Bewältigung der Finanzkrise beteiligen.

Hamburg. Deutschlands Millionäre wollen ihren Beitrag zur Krisenbewältigung leisten. Doch das ist leichter gesagt als getan. Ob Michael Otto, Marius Müller-Westernhagen oder auch der frühere HSV-Präsident Jürgen Hunke - sie würden höhere Steuern für Wohlhabende begrüßen, wenn damit die Schulden des Staates abgebaut würden. Das haben sie im vergangenen Jahr in einem Aufruf in der "Zeit" bekundet. Seit der Investor Warren Buffett in der "New York Times" seine niedrigen Steuersätze bejammerte, kommen im Monatsrhythmus Vorschläge, wie die Vermögenden stärker zur Lösung der Schuldenkrise beitragen können. Offensichtlich jedoch handelt nur Frankreich.

Der sozialistische Präsident François Hollande macht sein Wahlversprechen wahr und will zwei weitere Steuertarife sowie eine Einkommenssteuer von 75 Prozent für Gehälter ab einer Million Euro einführen. In Deutschland favorisieren Linke und SPD eine Anhebung des Spitzensteuersatzes ebenso wie die Gewerkschaften.

+++ SPD kann hinzugewinnen, Grüne verlieren in der Wählergunst +++

Derzeit beträgt der höchste Einkommenssteuersatz 42 Prozent. Wer allerdings über 250 000 Euro im Jahr verdient, zahlt dank eines Spitzenzuschlags 45 Prozent an den Fiskus. Ausgerechnet die rot-grüne Bundesregierung hat zuletzt die Steuersätze für die Bestverdiener gesenkt, nicht etwa die christlich-liberale von Helmut Kohl. In den ersten 50 Jahren bundesrepublikanischer Geschichte lagen sie bei 53 oder 56 Prozent. Kanzler Gerhard Schröder (SPD) senkte die Höchstsätze stufenweise herab. Dass die Sätze krisenbedingt wieder steigen, ist nicht in Sicht. Die schwarz-gelbe Bundesregierung von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat Steuererhöhungen nicht auf dem Programmzettel. Der Bund der Steuerzahler warnt sogar in einem Gutachten: Mehr Steuereinnahmen führen zu höheren Staatsausgaben. Damit wäre jede Extraabgabe der Reichen sinnlos.

Reiner Holznagel, Präsident des Steuerzahlerbundes, sagte dem Abendblatt: "In Deutschland haben wir stark steigende Steuereinnahmen. Die Deutschen zahlen so viel Steuern wie nie zuvor! Selbst der Bundesfinanzminister lehnt deshalb eine Zwangsanleihe für ,Reiche' ab." Der Haushalt müsse deshalb über die Ausgabenseite konsolidiert werden. Holznagel sagte: "Hier haben wir eine umfangreiche Einsparliste in Höhe von 27 Milliarden Euro allein für den Bundeshaushalt vorgelegt, zum Beispiel mit Sparvorschlägen bei Steinkohlesubventionen, unwirksamen Arbeitsmarktprogrammen oder der Anschaffung von Eurofightern. Hier muss die Bundesregierung ansetzen."

Nach den aktuellsten Zahlen des Bundesfinanzministeriums ist es so: Die zehn Prozent der einkommensstärksten Deutschen (ab 67 000 Euro Jahresbrutto) sorgen für über die Hälfte (54 Prozent) des gesamten Aufkommens der Einkommenssteuer. Und: Nur 30 Prozent aller Arbeitnehmer, die Einkommenssteuer zahlen, bringen 80 Prozent des Aufkommens auf. Das heißt: Wer gut verdient, trägt ohnehin einen beträchtlichen Teil zur Finanzierung der Staatsausgaben bei. Allerdings leiden diese Einkommensgruppen nicht so sehr wie Geringverdiener unter indirekten Steuern wie der Mehrwertsteuer. Und: Die Vermögen werden nicht so einbezogen, wie sich vor allem Gewerkschaften das wünschen.

Deshalb wärmte DGB-Chef Michael Sommer jetzt noch einmal einen Vorschlag des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) auf. "Zwangsanleihen bei Reichen, die verzinst zurückgezahlt werden, sind als Lastenausgleich eine vernünftige Maßnahme", sagte Sommer der "Bild"-Zeitung. Mit einem solchen Beitrag Vermögender könne ein Wiederaufbauprogramm für Europa finanziert werden, "von dem auch Deutschland extrem profitieren würde", so Sommer.

SPD-Parteichef Sigmar Gabriel liebäugelt ebenfalls mit einer Millionärssteuer. Das käme gut an im Wahlkampf 2013 und würde seine Chancen auf die Kanzlerkandidatur der Sozialdemokraten vermutlich erhöhen. Das Thema ist griffig, die Beteiligung der Vermögenden an den Folgen der Finanzkrise populär. Auch Gabriels möglicher Konkurrent um die Kandidatur, Peer Steinbrück, nennt zum Beispiel das deutsch-schweizerische Abkommen über die Steuerflüchtlinge zu lasch. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hätte härter verhandeln müssen, so Steinbrück.

Zwangsanleihen und Lastenausgleich haben in Deutschland Tradition. In der Weimarer Republik sollten Wohlhabende von 1923 an eine Extraabgabe auf Vermögen über 100 000 Mark zahlen, um die Reparationen an die Alliierten schneller bezahlen zu können. Die Inflation und die Währungsreform kamen dazwischen. Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es ein Lastenausgleichsgesetz, durch das Vermögende einen kleinen Extrabeitrag zahlen mussten. Das Geld floss in einen Topf, aus dem Leistungen beispielsweise für Vertriebene finanziert wurden.

Dass es der neue französische Präsident François Hollande mit der Besteuerung der Reichen und dem Sparen ernst meint, zeigt sein Gehaltsverzicht. In einem mehr als nur symbolischen Akt hat er sein eigenes Einkommen und das seiner Minister um 30 Prozent gekürzt. Auf knapp ein Drittel seines Salärs von rund 240 000 Euro im Jahr verzichtet Hollande künftig. Im Élysée-Palast hat er nach wie vor freie Kost und Logis.