Politiker fordern die Abschaffung des MAD. Er sei ineffizient, und seine Aufgaben könnten inzwischen längst andere Behörden erledigen.

Berlin. Der hinterhältigste Feind des Bundeswehrsoldaten ist offenbar nicht der Taliban-Kämpfer, sondern ist bildhübsch, hat wallendes blondes Haar und verzichtet auch mal auf den BH. "Meine Vorgesetzten in Russland sind nicht nett zu mir, wenn ich keine überdurchschnittlichen Leistungen bringe", sagt die barbusige Blondine, "Ich habe nachgedacht: Wenn du mir hilfst, können wir sehr schnell viel Geld verdienen." Der Bundeswehrsoldat zögert: "Du redest hier von Landesverrat. Die Informationen im Zentralcomputer sind sehr brisant." Doch die blonde Schönheit lässt nicht locker. "Liebst du mich denn gar nicht, Schatz?" Die Szene stammt nicht etwa aus einem schlechten Agentenfilm, sondern aus einem Comic zu einem Beitrag des "Y-Magazin" der Bundeswehr. Thema: der "Militärische Abschirmdienst", kurz MAD. Der Text soll ein ziemlich ramponiertes Image aufpolieren - und zwar des wohl geheimsten aller deutschen Geheimdienste.

Und des wohl umstrittensten. Seitdem die Verfassungsschutzbehörden wegen ihrer dilettantischen Arbeit bei der Aufklärung der rechtsterroristischen Morde des Zwickauer Terrortrios (NSU) heftig in die Kritik geraten sind, ist die Begierde der Politiker nach einer grundlegenden Reform der Nachrichtendienste groß. Und dabei fällt immer häufiger ein Kürzel, das mit der Aufklärung der NSU-Mordserie zunächst wenig zu tun zu haben scheint: MAD. Der Militärische Abschirmdienst der Bundeswehr, 1956 gegründet, könnte das erste Opfer einer Reform werden. "In dieser Form brauchen wir den MAD nicht mehr", sagte kürzlich Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP).

Auch der FDP-Abgeordneter Christian Ahrendt nimmt den MAD ins Visier. "In der jetzigen Diskussion über die Sicherheitsarchitektur gehört der MAD als Erstes auf den Prüfstand", sagte er der Zeitung "Die Welt". "Ich bin seit Langem der Meinung, dass sich die Aufgabe des MAD erledigt hat und wir auf diesen Dienst verzichten können."

Dabei erscheint die gesetzliche Aufgabe des MAD ziemlich unvergänglich. Er soll die Bundeswehr vor Extremisten und Spionage schützen. Neonazis, Islamisten, Spione - sie alle sollen von der deutschen Armee ferngehalten werden. Dazu überprüft der MAD sowohl Rekruten als auch dienende Soldaten, insbesondere Geheimnisträger werden regelmäßig einer Sicherheitsüberprüfung (SÜ) unterzogen. Der MAD führt zudem eigene Informanten und geht Hinweisen aus der Truppe nach. Außerdem sorgt der Geheimdienst im Ausland für den Schutz von Bundeswehreinrichtungen. Er überprüft zivile Mitarbeiter im Dienste der Bundeswehr - seien es afghanische Köche, kosovarische Lkw-Fahrer oder Putzfrauen.

Dennoch tun sich viele Politiker immer schwerer mit dem MAD. Sie sehen in dem Dienst ein Kind des Kalten Krieges, dessen Aufgaben nach dem Ende der Ost-West-Konfrontation längst andere Behörden erledigen könnten. Doch geändert hat das wenig. Rufe nach seiner Abschaffung ignorierten die jeweiligen Ressortchefs im Verteidigungsministerium einfach. Kritiker ins Leere laufen lassen - so lautete die Devise des MAD. "Früher gab es die Weisung: Öffentlichkeitsarbeit verboten. Es war die Maßgabe, den MAD unsichtbar zu machen", sagt ein ranghoher Mitarbeiter. Die jeweiligen Präsidenten duckten sich - anders als ihre Kollegen von Verfassungsschutz oder Bundesnachrichtendienst (BND) - stets weg, wenn ihnen Journalisten nahe kamen. Deshalb darf es als überraschende Premiere gewertet werden, dass ein amtierender MAD-Chef jetzt erstmals ein Interview gegeben hat - wenn auch nur in der Juni-Ausgabe des Y-Hefts der Bundeswehr - gleich neben der Comic-Zeichnung. Dort hat Karl-Heinz Brüsselbach noch kurz vor seinem Abschied aus dem Amt am 1. Juli für den MAD geworben. "Wir wollen uns nicht verstecken", sagte Brüsselbach, "der MAD ist nicht der geheimste der Geheimdienste, sondern womöglich der offenste."

+++ Der Inlandsgeheimdienst: In schlechter Verfassung +++

Das sieht man draußen anders. Schlagzeilen hat der Dienst in der Vergangenheit nur mit seinen Skandalen gemacht. Und davon gab es einige. Ende der Siebzigerjahre ließ der MAD illegal die Telefone der Sekretärin von Verteidigungsminister Georg Leber (SPD) abhören, Anfang der Achtzigerjahre unterstellte der Dienst dem General Günter Kießling fälschlicherweise, er sei homosexuell und deshalb erpressbar. Mit der Wiedervereinigung kam dann auch noch heraus, dass der langjährige MAD-Vizechef Joachim Krase auf dem Gehaltszettel der DDR-Staatssicherheit gestanden hatte.

Aber erst jetzt, wo Politiker aller Parteien entschlossen sind, die Struktur der Nachrichtendienste einer gründlichen Reform zu unterziehen, geht es für den MAD ums Überleben. Im Gespräch mit der "Welt" betonen MAD-Mitarbeiter, dass die Bundeswehr auch nach dem Wegfall der Wehrpflicht attraktiv für Verfassungsfeinde sei. Rechtsextreme seien scharf auf Uniformen und Waffen. Außerdem nehme die Gefahr von islamistischer Seite zu. Radikale Salafisten könnten die Bundeswehr als bezahltes Trainingslager missbrauchen. Auch hätten ausländische Geheimdienste weiterhin großes Interesse an Rüstungsinformationen oder Dokumente zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr.

In einem vertraulichen "Abschlussbericht der Bundesregierung an das Vertrauensgremium" vom März dieses Jahres, der der "Welt" vorliegt, gibt es ebenfalls Rückenwind für den MAD. Weder der Verfassungsschutz noch der Auslandsnachrichtendienst BND, heißt es dort, könnten die "derzeitig dem MAD zugeordneten Aufgaben zusätzlich erfüllen". Allerdings versinkt der MAD nicht gerade in Arbeit. Nach eigenen Angaben identifiziert der Dienst in der Bundeswehr jährlich im Durchschnitt rund 60 Extremisten, die sich überwiegend aus Rechtsextremisten und einer einstelligen Zahl Islamisten zusammensetzen. Hinzu kommen etwa 87 abgewehrte Hackerangriffe.

Angesichts dieser Zahlen haben es die Gegner leicht, die Abschaffung des MAD zu fordern. Da hilft auch die Schrumpfkur der vergangenen Jahrzehnte nicht. Fast 2500 Mitarbeiter hatte der Dienst noch bis zur Wende 1989. Mit dem Eisernen Vorhang verschwand fast die Hälfte von ihnen. Heute sind es nur noch knapp über 1000. Das sind immer noch viel zu viele, moniert der Bundesrechnungshof in einer geheimen Verschlusssache für das Vertrauensgremium des Deutschen Bundestages. Die Prüfer bemängeln die Effizienz des Dienstes. Endgültige Entscheidungen über die Aufgaben und Struktur des MAD sollten aber erst getroffen werden, wenn Berichte des NSU-Untersuchungsausschusses des Bundestages und einer Bund-Länder-Kommission zur Aufarbeitung des Rechtsterrorismus vorliegen. Eine Bestandsgarantie liest sich anders.

Der mögliche Todesstoß für den MAD könnte durch die "Operation Rennsteig" erfolgen. Im Zuge dieser Geheimdienstaktion unterwanderte der MAD in den Jahren 1997 bis 2003 gemeinsam mit dem Bundsamt für Verfassungsschutz und dem Bayerischen Verfassungsschutz die rechtsextreme Gruppe "Thüringer Heimatschutz" (THS). Der Grund: Einige THS-Aktivisten waren Bundeswehrsoldaten. "Das Interesse war groß, das Umfeld dieser Soldaten zu beleuchten. Deshalb wurde diese Neonazi-Gruppe genauer nachrichtendienstlich betrachtet", sagt ein MAD-Mitarbeiter. In der Praxis hieß das damals: Der MAD warb V-Leute an. Beim Bundesamt für Verfassungsschutz wurden in einem skandalträchtigen Vorgang mehrere Akten zur "Operation Rennsteig" geschreddert.

Der Untersuchungsausschuss zum Rechtsterror des NSU zeigte sich empört, Verfassungsschutzpräsident Heinz Fromm lässt sich zum 31. Juli in den Ruhestand versetzen. Dann wandten sich die Parlamentarier dem MAD zu: Mitglieder des Untersuchungsausschusses klagen bis heute, dass der Bundeswehr-Dienst bislang nur zögerlich und nach einigem Drängen seine Papiere zum Fall "Rennsteig" liefert.

Was bleibt, wenn man den Schleier vom MAD hebt? Eine ineffiziente Behörde, die abgeschafft gehört, oder ein notwendiger Nachrichtendienst, der sich nur reformieren muss? Der MAD entstand zu Zeiten des Kalten Krieges. Ob er zu dessen späten Verlierern gehört, könnte von der Bereitschaft abhängen, sich schnell zu wandeln.