Fast alle Abgeordneten werden morgen trotz Sommerpause zur Sondersitzung erscheinen. Es geht immerhin um 100 Milliarden Euro.

Berlin. Fast alle haben sie auf Norbert Lammert gehört. Dem scherzhaften Ruf des Bundestagspräsidenten bei der letzten Sitzung vor der Sommerpause, nicht zu weit hinauszuschwimmen, ist die große Mehrheit des Parlaments gefolgt und wird morgen fast vollzählig über das Rettungspaket für die taumelnden spanischen Banken abstimmen. Damit scheint auch die erforderliche einfache Mehrheit für das bis zu 100 Milliarden Euro teure Paket zu stehen.

Das Geld für den spanischen Bankenrettungsfonds wird dem vorläufigen Euro-Rettungsschirm EFSF entnommen. Die Zahlungen sollen noch in diesem Monat beginnen. Das gesamte Programm ist auf 18 Monate angelegt mit einer Laufzeit der Kredite von 12,5 Jahren. Doch das Programm will erklärt sein: Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) wird daher heute zuerst seine Kollegen im Europaausschuss informieren. Später tagen parallel der Wirtschafts- und der Finanzausschuss, danach der Rechtsausschuss. Schließlich kommt ab 18 Uhr der federführende Haushaltsausschuss zusammen. Auch hier wird Schäuble erwartet.

Der Finanzminister erhöhte vor den Sitzungen noch einmal den Druck auf die Parlamentarier, der Maßnahme ihren Segen zu erteilen. An Lammert schrieb er: "Die Finanzhilfe ist unabweisbar, um die Sicherung in der Euro-Zone insgesamt zu gewährleisten."

Die Hamburger Bundestagsabgeordneten sehen dies mehrheitlich genauso und werden im Plenum präsent sein - mit nur einer Ausnahme. Die Grünen-Politikerin Krista Sager hält sich in Südkorea auf, weil sie zur Hochzeit des jüngsten Sohnes ihres Ehemanns in der Nähe von Seoul eingeladen ist. Sie hatte frühzeitig ihre Fraktionsspitze über den besonderen Anlass ihrer Abwesenheit informiert. Sagers Parteifreund Manuel Sarrazin, ebenfalls Parlamentarier aus der Hansestadt, ist hingegen an Bord. Als Mitglied des Europaausschusses muss er schon heute in Berlin zu Beratungen erscheinen.

Die Hamburger SPD-Abgeordneten erscheinen vollzählig in Berlin: Aydan Özoguz, Ingo Egloff, Hans-Ulrich Klose und Johannes Kahrs, der seinen Urlaub auf Wangerooge unterbricht, werden an der Sitzung teilnehmen.

Die SPD hat ihre Zustimmung bereits in Aussicht gestellt. Die Grünen werden hingegen erst in ihrer Fraktionssitzung unmittelbar vor Beginn der Bundestagssitzung vereinbaren, ob sie die Spanien-Hilfen mittragen werden. "Es ist notwendig, dass man in Spanien für Stabilität sorgt, aber es sind für uns auch noch viele Fragen offen", sagte Sarrazin, europapolitischer Sprecher seiner Partei, dem Abendblatt. "Wir werden deshalb erst auf der Fraktionssitzung am Donnerstag entscheiden, ob wir den Spanien-Hilfen zustimmen werden."

Hamburgs einziger Linken-Abgeordneter im Bundestag, Jan van Aken, ist am vergangenen Wochenende von einer Dienstreise aus New York gelandet und danach in den Urlaub nach Italien aufgebrochen. Von dort wird er nun zum Kurzaufenthalt nach Berlin reisen. Seine Fraktion will das Rettungspaket allerdings ablehnen.

Die Hamburger CDU-Parlamentarier werden vollzählig im Plenum vertreten sein, wie Landesgruppenchef Dirk Fischer dem Abendblatt bestätigte. Er selbst werde seinen Kurzurlaub - eine Radtour entlang der Ostseeküste - erst Ende Juli antreten. Aus der gesamten CDU/CSU-Fraktion werden nur wenige Parlamentarier fehlen, zum Teil auch gesundheitsbedingt.

Aus der FDP-Bundestagsfraktion war zu hören, dass es bisher keine Absagen gegeben habe. Wenn nichts mehr dazwischenkommt, werden also alle 93 Liberale im Plenum abstimmen. Das heißt allerdings nicht, dass alle für das vorliegende Rettungspaket stimmen wollen. Die Hamburger FDP-Landesvorsitzende Sylvia Canel, die auch in der Vergangenheit mehrfach Rettungsschirme und Hilfsmaßnahmen für Griechenland abgelehnt hatte, will sich auch in diesem Fall gegen die Mehrheit ihrer Fraktion stemmen. "Ich werde dem Spanien-Paket voraussichtlich nicht zustimmen", sagte Canel dem Abendblatt. Ihr erscheine "diese Rettungsmaßnahme mit der Schrotflinte" zu undifferenziert und die Gläubigerbeteiligung zu geringfügig. "Die spanischen Banken und Sparkassen sind für Europa nicht alle systemrelevant", kritisierte sie. Canel sagte, sie erwarte in der Fraktion ein ähnliches Abstimmungsverhalten wie zuletzt bei den Abstimmungen zum ESM und zum Fiskalpakt. Ende Juni hatten zehn Abgeordnete der FDP gegen den ESM und vier gegen den Fiskalpakt gestimmt.

Dass die Abgeordneten zum Teil aus ihren Urlaubsorten nach Berlin anreisen, ist auch mit Kosten verbunden. Weil die Teilnahme an der Sondersitzung als Mandatsreise zählt, wird sie nicht über die monatliche Pauschale abgerechnet, die die Parlamentarier erhalten, sondern separat mit der Bundestagsverwaltung. Wie viel Euro da genau zusammenkommen, wird allerdings nicht statistisch erhoben. Die meisten Abgeordneten fahren wohl mit der Bahn, für die sie zu Beginn der Wahlperiode eine Freifahrkarte erhalten. Für alle Abgeordneten besteht am Donnerstag Präsenzpflicht, obwohl es sich um einen kurzfristig einberufenen Termin handelt. Wer nicht kommt, muss zwischen 20 und 100 Euro bezahlen - je nach Grund der Abwesenheit und ob man sich vorher entschuldigt hat. Solche Strafzahlungen werden diesmal wohl die Ausnahme bleiben.