Die Konferenz Europäischer Rabbiner betrachtet den Richterspruch als schwersten Angriff auf jüdisches Leben in Deutschland seit dem Holocaust.

Berlin. Die Debatte um das Urteil des Kölner Landgerichts zu religiösen Beschneidungen wird zunehmend schärfer: Die Konferenz Europäischer Rabbiner betrachtet den Richterspruch als schwersten Angriff auf jüdisches Leben in Deutschland seit dem Holocaust. "Ein Verbot der Beschneidung stellt die Existenz der jüdischen Gemeinschaft in Deutschland infrage", sagte der Präsident des Verbandes, der Moskauer Rabbiner Pinchas Goldschmidt, in Berlin. "Sollte das Urteil Bestand haben, sehe ich für die Juden in Deutschland keine Zukunft." Er gehe jedoch davon aus, dass die Beschneidung von Knaben aus religiösen Gründen gesetzlich in der Bundesrepublik verankert wird. Das Landgericht Köln hatte in der vergangenen Woche die Beschneidung von Jungen als Körperverletzung bewertet. Das Selbstbestimmungsrecht des Kindes werde dadurch verletzt.

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Goldschmidt sagte, das Schächtverbot der Nationalsozialisten sei ein Zeichen für viele Juden gewesen: "Wir müssen weg aus Deutschland." Ein Beschneidungsverbot wäre angesichts der Bedeutung dieses Brauchs ein viel stärkeres Zeichen. Das Urteil sei Teil einer Folge von Angriffen auf religiöse Minderheiten in Europa, sagte Goldschmidt nach einer Sitzung europäischer Rabbiner. Dazu gehörten die Einschränkungen für den Minarettbau in der Schweiz, das Burkaverbot in Frankreich und das Schächtverbot in den Niederlanden.

Auf eine höchstrichterliche Klärung wollen die Rabbiner nicht warten. "Keiner von uns kann warten, bis Karlsruhe entscheidet", sagte der Rabbiner Avichai Apel von der Orthodoxen Rabbinerkonferenz Deutschland. Auch nach dem Kölner Urteil würden die von den Synagogen bestellten Beschneider die Entfernung der Vorhaut von Knaben fortsetzen. Unter Eltern herrsche aber große Verunsicherung: "Das kann so nicht weitergehen."

Der niedersächsische Hartmannbund der Ärzte sprach sich dafür aus, Beschneidungen an jüdischen und muslimischen Jungen weiter zuzulassen. Er forderte die Ärztekammer auf, klarzustellen, dass Ärzte nicht berufsunwürdig handeln, wenn sie Beschneidungen aus religiösen Gründen vornehmen, berichtet die "Hannoversche Allgemeine Zeitung". Auch Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) und der integrationspolitische Sprecher der FDP, Serkan Tören, verteidigten das Ritual. (dpa/epd)