Dritter Rücktritt wegen schlampiger Ermittlungen zu Neonazis

Dresden. Die Fehler bei den Ermittlungen zur Mordserie der Zwickauer Rechtsterroristen haben einen dritten Rücktritt zur Folge. Nachdem Bundesverfassungsschutzpräsident Heinz Fromm und der Thüringer Amtschef Thomas Sippel ihre Posten räumen mussten, tritt nun auch Sachsens Verfassungsschutz-Chef Reinhard Boos zurück. Grund ist eine neu aufgetauchte Geheimakte beim sächsischen Verfassungsschutz zur Terrorzelle "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU), die bei der parlamentarischen Untersuchung zu den Ermittlungen fehlte, wie Innenminister Markus Ulbig (CDU) im Landtag sagte.

Die Dokumente über eine Telefonüberwachung im Jahr 1998 zum NSU-Komplex seien offenbar wegen des"eklatanten Fehlverhaltens einzelner Mitarbeiter" erst jetzt gefunden worden, sagte Ulbig. Dafür habe Boos die Verantwortung übernommen. Es handele sich vorwiegend um Protokolle einer Überwachung des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Der Minister war nach eigenen Angaben am Dienstagabend von Verfassungsschutz-Chef Boos über die Geheimakte informiert worden. Boos habe dann um seine Versetzung zum 1. August gebeten.

Was genau die Dokumente zur Telefonüberwachung enthalten, ist noch unklar. Akten zur "Operation Rennsteig" sind es laut Innenminister Ulbig nicht. Bei der umstrittenen "Operation Rennsteig" hatte das Bundesamt für Verfassungsschutz zwischen 1997 und 2003 acht V-Leute in Thüringen geworben. Die Akten dazu waren nach dem4. November vernichtet worden. Nach Ulbigs Worten hat der zurückgetretene Boos den Vorfall zutiefst bedauert. Die Opposition im sächsischen Landtag forderte den Innenminister mehr oder weniger deutlich auf, den Hut zu nehmen.

In Sachsen war die Parlamentarische Kontrollkommission des Landtags zwar über die Telefonüberwachung informiert gewesen, wie Ulbig erklärte. Die Protokolle selbst aber hätten ihr nicht vorgelegen.

Die Grünen im Landtag kritisierten, dass Innenminister Ulbig den Verfassungsschützer Boos erst gestützt habe - und keine Woche später tauche eine neue Geheimakte auf, "und das Ganze bricht wie ein Kartenhaus in sich zusammen", so der Abgeordnete Miro Jennerjahn. Die SPD-Innenexpertin Sabine Friedel sagte, die Ermittlungen der Landesregierung zum NSU zeichneten sich vor allem durch Nichtstun aus.

Unterdessen hat der frühere Chef des Thüringer Verfassungsschutzes, Helmut Roewer, angekündigt, er werde ein Tagebuch über seine Amtszeit von 1994 bis 2000 veröffentlichen und die damaligen Verhältnisse "drastisch" schildern. In seine Amtszeit fällt das Abtauchen der Rechtsterroristen Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe, die 1998 unbehelligt in derIllegalität verschwanden.