Deutsche Industrie fordert gegen Produktpiraterie abgespecktes Abkommen

Brüssel. Das Europäische Parlament hat das internationale Abkommen für einen größeren Schutz vor Markenpiraterie und Produktfälschung gestoppt. Die Abgeordneten stimmten gestern in Straßburg gegen den Acta-Vertrag, der wegen seiner befürchteten Folgen für Internetnutzer Proteste in Deutschland und zahlreichen osteuropäischen EU-Staaten ausgelöst hatte. Von den 754 Abgeordneten stimmten 478 gegen den Pakt, den die EU-Kommission bereits mit zehn Staaten unterzeichnet hatte - darunter die USA, Kanada und Japan. Es ist das zweite Mal, dass das Parlament ein internationales Abkommen kippt. 2010 lehnten die Abgeordneten die Swift-Vereinbarungen zum Datenaustausch mit den USA ab.

Der Widerstand entzündete sich vor allem an einer Passage über den Schutz von Urheberrechten im Internet, die nach Ansicht der Kritiker Tür und Tor für Überwachung und Zensur öffnet. Das Abkommen verpflichtet demnach die Anbieter eines Netzzugangs dazu, stärker mit den Rechte-Inhabern zusammenzuarbeiten und damit auch Privatnutzer mehr zu kontrollieren. In der Folge drohten härtere Strafen nicht nur für kommerzielle Raubkopierer, sondern auch Nutzer, die zum privaten Gebrauch Filme und Musik aus dem Internet herunterladen.

Der Protest kam vor allem aus der wachsenden jungen Internetgemeinde und trieb bei den vergangenen Landtagswahlen der Piratenpartei zahlreiche Wähler zu. In Osteuropa fühlten sich viele Menschen an die Bespitzelung während der sowjetischen Zeiten erinnert. Auch geißelten die Gegner die mangelnde Transparenz in den Verhandlungen.

"Es ist richtig, dass das Europäische Parlament Acta endlich ad acta gelegt hat", sagte der schleswig-holsteinische Europa-Abgeordnete der Grünen, Jan Philipp Albrecht, dem Abendblatt. "Das Abkommen verfolgte die schrittweise Privatisierung der Rechtsdurchsetzung im Internet. Es atmete die Luft von Repression und nicht von neuen, alternativen Wegen." Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) kritisierte, dass der Abschnitt zu den Urheberrechten "leider sehr unbestimmt und schwammig formuliert" sei. In Zukunft solle versucht werden, Produkt- und Markenpiraterie in gesonderten Abkommen besser zu bekämpfen, sagte die FDP-Politikerin der ARD.

Dafür plädierte auch der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI): Er hoffe auf ein reduziertes Abkommen, das sich auf den "unstrittigen Teil der Produktpiraterie konzentriere", sagte der Justiziar des Verbands, Heiko Willems, dem Deutschlandradio. Der BDI beziffert die Verluste durch Fälschungen auf 250 Milliarden Euro jährlich in den Industrieländern. Allein der deutsche Maschinenbau verliere jährlich sieben Milliarden Euro.