Berlin/München. Jeder zweite Arbeitnehmer geht mit Abschlägen in Frührente. Die Deutsche Rentenversicherung bestätigte gestern in Berlin einen Bericht der "Süddeutschen Zeitung", wonach fast jeder zweite neue Rentner nicht bis zur Regelaltersgrenze von 65 Jahren gearbeitet hat. Im Durchschnitt sei bei Frührentnern die Rente um monatlich 113 Euro geringer ausgefallen. Ein Sprecher des Bundesarbeitsministeriums sagte, die Zahlen stellten keine Überraschung dar. Die Abschläge seien eingeführt worden, um die Rente finanzierbar zu halten. Es gebe nicht nur mehr Frührentner, sondern es steige auch die Zahl der Rentner kontinuierlich an. Auch an der Rente mit 67, die ab 2012 eingeführt wird, führe kein Weg vorbei, so der Sprecher. Von Januar 2012 an steigt die Altersgrenze kontinuierlich an bis auf 67 Jahre im Jahr 2030.

2010 bezogen knapp 674 000 Versicherte erstmals eine Altersrente. 47,5 Prozent müssen Abschläge in Kauf nehmen, weil sie nicht bis zum 65. Lebensjahr gearbeitet haben. Fünf Jahre vorher sind es noch 41,2 Prozent, im Jahr 2000 nur 14,5 Prozent gewesen. Im Durchschnitt sind die Frührentner mit 62 Jahren in Rente gegangen. Die 1992 eingeführten Abschläge wirken sich seit 1997 rentenmindernd aus. Bis dahin war es möglich, auch ohne Abschläge früher in Rente zu gehen.

Ulrike Mascher, Vorsitzende des Sozialverbands VdK Deutschland, fürchtet, dass sich mit der schrittweisen Erhöhung des Renteneintrittsalters auf 67 Jahre die Lebensverhältnisse der Rentner verschlechtern. "Die Gefahr von Altersarmut wird wachsen", sagte sie der "Süddeutschen Zeitung": "Derzeit bieten weder der Arbeitsmarkt noch die Personalpolitik der Unternehmen Anhaltspunkte dafür, dass ein Arbeiten bis zur Regelaltersgrenze zur Normalität wird." Demgegenüber erklärte Arbeitgeberpräsident Hundt, ältere Arbeitnehmer seien heute "meist fit genug, um länger am Erwerbsleben teilzunehmen". In den Betrieben würden die Älteren wegen des Fachkräftemangels gebraucht.

Dem Bundesarbeitsministerium zufolge gehen die Steigerungen bei den Rentenabschlägen allein darauf zurück, dass mehr Frauen in Frührente gehen. Ihre Zahl wuchs zwischen 2005 und 2010 um 45 000 auf 185 000. Bei den Männern hingegen sank die Zahl der Frührentner etwa im gleichen Umfang von 178 000 auf 134 000. Eine Erklärung könne sein, dass mehr Frauen aus den ostdeutschen Bundesländern in Rente gingen, sagte der Sprecher. Im Westen war die Erwerbsbeteiligung der Frauen traditioneller viel geringer als im Osten.