Zerschlissen? Kaputt? Die Dinge des täglichen Gebrauchs werden schnell entsorgt. Doch viele schätzen den Wert eines Gegenstandes an sich.

Die Teekanne tropft. Das Telefon knarzt bei längeren Gesprächen. Die Uhr im Flur geht nach. Das Licht am Fahrrad hält nur noch mit Klebeband, und die Jacke geht nur noch mit Mühe zu. Der Reißverschluss ist müde. So lesen sich heutzutage die letzten Worte über Dinge des täglichen Gebrauchs. Wenn ein Gegenstand nicht mehr das leistet, wofür er einmal gemacht und erworben wurde, ist sein Ende meist besiegelt: Wir werfen ihn weg, wir entledigen uns des verwundeten Dings. Eine neue Teekanne muss her, die Uhr landet im Müll, am Rad leuchtet bald eine neue Lampe, und die Jacke kommt in die nächste Altkleidersammlung.

Zumindest meistens ist das so. Es gibt aber Menschen, die sich nicht so schnell trennen, nur weil etwas nicht mehr so ist wie früher. Und das, obwohl sie genug Geld hätten, sich etwas Neues zu leisten. Sie schütten ihren Tee weiter aus der tropfenden Kanne in die Tasse (und wischen mit einem Tuch in der anderen Hand gleichzeitig den Küchentisch), sie addieren fünf Minuten zur falschen Uhrzeit dazu, und wenn sie zu einem Termin müssen, machen sie sich ein wenig früher auf, denn sie wissen: Sie werden ein bisschen Zeit brauchen, bis sie den widerspenstigen Reißverschluss an der Jacke überzeugt haben. Sie gewöhnen sich an die Macken ihrer Wegbegleiter und lernen, mit ihnen zu leben. "Das ist doch noch gut", sagen sie, wenn andere sich darüber wundern, "warum sollte ich das wegwerfen?"

Diese Noch-gut-Menschen waren früher meist Rentner, die jeden Pfennig dreimal umdrehten, bevor sie ihn ausgaben. Sie waren geprägt von den Jahren des Krieges und der Zeit danach. Sie hatten die Erfahrung gemacht, wie es ist, wenn Mangel herrscht, und wie wertvoll damals alles war. Jedes einzelne Ding ein Schatz. Ein Topf ohne Loch. Ein Paar Schuhe. Ein Fußball aus Flicken. Aus ihnen wurden Großmütter, die abgetragene Pullover aufdröselten, um die Wolle zu retten. Und Großväter, die an Weihnachten Geschenke mit Chirurgenhänden öffneten, um das Papier beim nächsten Fest wieder verwenden zu können. "Das ist doch noch gut" war ein Teil ihrer Persönlichkeit. Oma schwor auf Sekundenkleber und Tesa, Opa hatte Werkzeug im Keller. Kurz: Die Kriegsgeneration wurde von den Enkeln gern belächelt.

Heute ist das oft anders. Und nicht nur die Zeiten haben sich geändert, sondern auch die Enkel. Sie sind inzwischen alt genug, um selbst zurückschauen zu können. Sie werfen zwar Geschenkpapier weg (natürlich ins Altpapier), und nur wenige kämen auf die Idee, abgetragene Pullover aufzuribbeln - aber der Radiowecker mit den tollen Klappziffern aus den 80ern oder ihre orange Lampe aus den 70er-Jahren: Die sind doch noch gut. Macht doch nichts, dass man sich an der Lampe manchmal einen Schlag holt und der Radiowecker die Sender nicht mehr richtig reinbekommt. Und in der Küche steht Omas tropfende Teekanne, über die Freunde beim Frühstück immer schmunzeln.

Gegenstände bekommen mit der Zeit einen Wert, der über den materiellen weit hinausgeht. Sie werden zu Wegbegleitern und Wegmarkierungen des Lebens. Einige waren, so fühlt es sich an, die ganze Zeit schon da. Sie erinnern an die eigene Geschichte, an frühere Zeiten und daran, wie man früher einmal war. "Mit dem rauschenden Röhrenradio habe ich als Kind Hörspiele gehört." "Das T-Shirt hat Löcher, aber das kann ich nicht wegwerfen - das habe ich mir damals beim Interrail-Urlaub gekauft." Das Festhalten an Frühersachen ist ein Merkmal der Zeit. Es gibt in Hamburg sogar eine Manufaktur, in der sich abgetragene Hemden klonen lassen (siehe Text rechts).

Andere Gegenstände wiederum erinnern an verlorene Menschen: Die Teekanne tropft, aber sie ist das Einzige, das von den Kuchennachmittagen mit Oma übrig geblieben ist. "Meist belehrt erst der Verlust über den Wert der Dinge", hat der Philosoph Arthur Schopenhauer geschrieben. Das stimmt, richtig ist aber auch: Einige Dinge schöpfen ihren Wert daraus, dass sie den Schmerz über einen Verlust lindern. Solange wenigstens sie da sind, bleibt eine Erinnerung fassbar. Sie sind Überlebende. Dabeigewesene, die von früher erzählen.

Bei solchen Liebhaberstücken ist es nicht entscheidend, wenn sie nicht mehr richtig funktionieren. Ihr Zweck ist ein anderer. Manchmal sogar verleihen ihnen Bruchstellen oder Dellen erst ihren Wert. Bei anderen ist die entscheidende Frage: Wann ist etwas wirklich kaputt? Wenn die Teekanne tropft - oder erst wenn sie einen Sprung hat? Wenn die Uhr nachgeht - oder wenn ihre Zeiger stillstehen? Wenn der vermaledeite Reißverschluss nur hakt - oder wenn die Jacke überhaupt nicht mehr zugeht? Und wenn etwas kaputt ist, was folgt daraus?

Früher war völlig klar: Es wird repariert. Oder es wird zur Reparatur gebracht. In die Änderungsschneiderei. Zum Uhrmacher. In die Porzellanklinik. Wenn es nicht mehr gut ist, wird es gut gemacht. In den vergangenen Jahrzehnten jedoch ist es immer schwerer geworden, Dinge zu reparieren - wenn es die Firmen nicht sogar ganz unmöglich gemacht haben. Schrauben, deren passenden Schlüssel nur der Hersteller hat, verhindern, dass Geräte geöffnet werden können. Und alles, das digital funktioniert, kennt nur zwei sozusagen binäre Zustände: geht. Oder geht nicht. Ganz. Oder kaputt. Es gibt sogar Gegenstände, die daraufhin entwickelt (oder sogar programmiert) werden, an einem bestimmten Zeitpunkt kaputtzugehen. Damit sie nicht ewig halten.

Wenn weniger überhaupt repariert werden kann, führt das unweigerlich dazu, dass es weniger zu reparieren gibt. Klingt banal - ist aber ein Grund dafür, dass es immer weniger Reparaturbetriebe gibt. Der andere: In vielen Fällen ist es billiger, ein angeschlagenes Produkt neu zu kaufen, statt es wieder ganz machen zu lassen. Das betrifft vor allem Gegenstände, die von Firmen subventioniert werden, um etwas anderes teurer zu verkaufen. Drucker zum Beispiel sind aus Sicht der Hersteller dafür da, Druckerpatronen zu verkaufen. Deshalb kosten Drucker so wenig, dass es sich nicht lohnt, sie reparieren zu lassen.

Wobei: "Lohnen" ist relativ, wenn man über das eigene Portemonnaie hinausdenkt. Und das machen immer mehr Menschen. "Das ist doch noch gut" kann auch bedeuteten: "Solange das noch so gut ist, werfe ich es nicht auf den Müll." Immer mehr Verbraucher machen sich Gedanken über Konsum und seine Folgen - die Gefühligkeit "emotionaler Werte" spielt für sie eine kleinere Rolle. Sie sind Bewahrer, Konservative im Wortsinne; Menschen, die noch wissen, dass das Wort "entsorgen" eigentlich "wegwerfen" bedeutet. Bei vielen schließt sich dann der Kreis zu Oma und Opa. Das Handy hat einen Sprung im Gehäuse? Mit Sekundenkleber hält es noch ein wenig. Der Staubsauger ein Loch im Schlauch? Egal. Einfach Klebeband drum herum, dann kann man damit das Augenfälligste noch wegsaugen.

Um so zu handeln, bedarf es übrigens einiges an Selbstbewusstsein. Denn wer kittet, stopft und flickt, wird heutzutage oft schräg angeschaut.

Kann er sich denn kein neues Handy leisten? Ist ihr eigentlich egal, wie sie rumläuft? Reparieren: Machen das denn nicht nur arme Leute? Makellosigkeit ist ein zentrales Dogma der Konsumgesellschaft - vom perfekten Apfel im Supermarkt bis zum Gebrauchsgegenstand, dem man den Gebrauch keinesfalls ansehen darf. Millionen Euro werden ausgegeben, uns zum Wegwerfen zu verleiten. "Das ist doch noch gut" - hinter diesem einfachen Satz steckt also nicht nur eine Lebenseinstellung. Sondern auch ein subversiver Gedanke, der so leicht nicht kaputt zu kriegen ist.