Auch der Fraktionschef rechnet mit Scheitern des Euro-Mitgliederentscheids. Kritik an Parteiführung reißt aber nicht ab

Berlin. FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle rechnet mit einem Scheitern des Euro-Mitgliederentscheids seiner Partei. Am Freitag werde sich möglicherweise klar bestätigen, dass die Mindestbeteiligung von einem Drittel der Mitglieder nicht erreicht werde, sagte Brüderle gestern in Berlin wenige Stunden vor dem Ende der Einsendefrist. "Ich rechne auch damit, dass es so kommen wird", sagte der Fraktionschef. Er bezog sich damit auf entsprechende Äußerungen von FDP-Chef Philipp Rösler. Gestern um Mitternacht endete die Einsendefrist für den Mitgliederentscheid, mit dem Kritiker eine Zustimmung Deutschlands zum geplanten dauerhaften Euro-Rettungsmechanismus ESM verhindern wollen.

Brüderle wies auch Spekulationen zurück, er könnte anstelle Röslers die Parteiführung übernehmen. Der Fraktionschef verwies dabei auf den Parteitag vom Mai: "Wir haben unsere Personalfragen in Rostock geklärt, die Führungsmannschaft für zwei Jahre gewählt. Veränderungen dazu stehen nicht an." "Spiegel Online" hatte von Gerüchten berichtet, wonach Brüderle Rösler ablösen könnte. Der Fraktionschef gilt seit Längerem als zweiter starker Mann in der Partei.

Auch der schleswig-holsteinische FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki sieht "keine Bestrebungen in der FDP", Parteichef Rösler von der Spitze abzulösen. Er warnte jedoch vor den Folgen des derzeitigen Umfragetiefs seiner Partei. Sollte die FDP "in absehbarer Zeit in den Umfragen nicht deutlich über drei Prozent kommen, dann vermute ich einen ungeregelten kollektiven Aufschrei mit eher unkalkulierbaren Folgen", sagte Kubicki der "Leipziger Volkszeitung". Rösler hatte bereits am Wochenende das Ansinnen der Initiatoren um den Finanzpolitiker Frank Schäffler, die den bisherigen Euro-Kurs der FDP kippen wollen, für gescheitert erklärt. Damit war Rösler auf heftige Kritik in der Partei gestoßen. Der Entscheid ist gescheitert, wenn sich nicht mindestens ein Drittel der Mitglieder beteiligt. Er gilt dann nur als normale Befragung ohne Bindung für die Partei.

Der FDP-Politiker Burkhard Hirsch will das Vorgehen der Parteispitze beim Mitgliederentscheid aber juristisch klären lassen. "Ich werde dafür sorgen, dass sich der Bundessatzungsausschuss damit befasst", sagte er der Zeitung "Die Welt". Ihm gehe es vor allem darum, dass der Bundesvorstand "seine technischen und finanziellen Vorteile ausgenutzt hat, um gegen uns zu werben", sagte Hirsch, der den Mitgliederentscheid gegen den Euro-Rettungskurs der Koalition gemeinsam mit Schäffler erzwungen hatte.

Die FDP-Spitze habe alle Möglichkeiten ausgeschöpft, "auch unfaire", um die Mitglieder in ihrem Sinne zu mobilisieren. Dass Rösler den Entscheid drei Tage vor Abgabeschluss für gescheitert erklärt hatte, nannte Hirsch "lächerlich". Auch Schäffler kritisierte erneut das Verhalten der FDP-Führung. Es habe beim Mitgliederentscheid organisatorische Mängel gegeben, er sei "einfach schlecht gemacht" worden, sagte er im ZDF-"Morgenmagazin". "Sicherlich hätte man das von der Parteispitze positiver begleiten können. Wir hatten keinen Mitgliederentscheid auf Augenhöhe."