Der Hamburger verabschiedet sich als Chef des Bundesnachrichtendienstes. Sein Nachfolger wird ein FDP-Mann.

Hamburg/Berlin. Ernst Uhrlau will zurück. An die Alster, die Elbe, nach Hamburg, ans Wasser jedenfalls. Er erhole sich, wenn er am Ufer laufe, hat Uhrlau im Gespräch mit der "Berliner Morgenpost" einmal gesagt. Er, der immer eher schweigsam ist, unaufgeregt, ein stilles Wasser, wenn man so will. Wer Uhrlau erlebt, hat schnell das Wort "hanseatisch" im Kopf, auch wenn das viel und doch gar nichts bedeutet.

Mit der Reporterin lief er am Berliner Schlachtensee entlang, begleitet von Personenschützern, die sich neben Uhrlau stellten, sobald Radfahrer entgegenkamen. Uhrlau war bis gestern Präsident des Bundesnachrichtendienstes, mit Sitz in Pullach bei München und Berlin-Lichterfelde. Jetzt geht der 65-Jährige in den Ruhestand.

+++FDP-Mitglied Schindler wird neuer BND-Chef+++

Zwei Sicherheitsleute standen immer um Uhrlau herum, das ist die eine Seite, eine Dienstvilla ganz in der Nähe vom Schlachtensee die andere. Das Amt, der Chef des deutschen Auslandsgeheimdienstes mit seinen 6000 Mitarbeitern zu sein, ist eine dritte Sache.

Seit gestern hat nun Gerhard Schindler jeden Tag Begleitung von Personenschützern. Er folgt Uhrlau, der als Mitglied der SPD auch bei kritischen Linken und Grünen durch seine transparente Amtsführung wohlwollend auffiel. Sein Nachfolger ist Mitglied der FDP - und soll den Kurs des Sozialdemokraten Uhrlau fortführen. In Sicherheitsfragen gilt Schindler als "harter Hund", noch unter Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) leitete er die Abteilung Öffentliche Sicherheit und bekam die Aufsicht über das Bundeskriminalamt und den Bundesverfassungsschutz. Schindler arbeitete Konzepte zur Verbrechensbekämpfung und zur Abwehr von Extremismus und Terrorismus aus. "Er ist ein ausgewiesener Fachmann auf dem Gebiet der Sicherheit", sagt der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Hans-Peter Uhl (CSU). Die Erwartungen an Schindler sind hoch - und der Druck auf ihn auch.

Auch auf Uhrlau hatte der Druck in den vergangenen Monaten zugenommen. Es gab Überschriften in Zeitungen, die einen ehrgeizigen Menschen schmerzen: "Der Pannen-Präsident" oder "Präsident ohne Plan", hieß es. Im Juli gab es Schlagzeilen wegen verschwundener Baupläne für die neue Zentrale des Dienstes in Berlin. Als 2008 im Kosovo ein Sprengsatz auf das Gebäude der EU-Vertretung geworfen wurde, verdächtigte die Regierung der ex-jugoslawischen Provinz drei BND-Agenten. Vergangene Woche wurde bekannt, dass 2007 - also in Uhrlaus Amtszeit - rund 250 Dokumente geschreddert wurden. Darunter waren auch Akten von Nachrichtendienstlern, die während der NS-Zeit in der SS, dem SD oder der Gestapo tätig waren.

Zweimal sagte Uhrlau vor dem Untersuchungsausschuss des Bundestags aus. Nachdem 2008 bekannt geworden war, dass der BND E-Mails zwischen einer Reporterin des "Spiegels" und dem afghanischen Minister Amin Farhang mitgelesen hatte, ließ Merkel verkünden: Das Verhältnis der Regierung zur BND-Spitze sei "nicht zerstört, aber gestört". Nie war es Uhrlau selbst, der unrecht handelte oder direkt verstrickt war. Aber es bleibt ein Nachgeschmack seiner Amtszeit: Hatte er seinen Laden wirklich im Griff?

Jedenfalls hat Uhrlau durchgehalten und sein Amt bis zum Ende ausgefüllt. Auch das ist eine Leistung, wenn einem BND-Chef und SPD-Politiker der Rückhalt einer schwarz-gelben Bundesregierung fehlt. Uhrlau saß das aus, denn er hat Erfahrungen im Leiten von Behörden. Uhrlau war Lehrer an der Landespolizeischule in Hamburg, leitete das Büro des dortigen Innensenators und später das Landesamt für Verfassungsschutz. Mitte der 90er-Jahre wurde Uhrlau Polizeipräsident der Hansestadt.

Nach den jüngsten Fällen der rassistischen Morde, mutmaßlich begangen von drei Neonazis aus Zwickau, muss man Uhrlau auch eines zuschreiben: Weitsicht für die Gefahr von rechts. In seiner Zeit beim Verfassungsschutz in Hamburg habe er frühzeitig vor den Gefahren des Rechtsextremismus gewarnt, sagt Manfred Murck, der heutige Leiter des Hamburger Verfassungsschutzes, dem Abendblatt. Uhrlaus Gegner waren Köpfe der Neonazi-Szene: Jürgen Rieger, Christian Worch, Thomas Wulff. Auch die Zusammenarbeit der Verfassungsschützer in den Ländern und dem BND sei unter Uhrlau besser geworden, sagt Murck. Manches sollte aber noch enger verzahnt werden. In den Monaten nach den Anschlägen vom 11. September 2001 hätten sich Hamburgs Ermittler von den Bundesbehörden "etwas allein gelassen gefühlt".

Berlin steht in Uhrlaus Leben für eine unruhige Zeit, viel Aufregung, Skandale. Er wolle nun wieder fest nach Hamburg ziehen, dort, wo er seine Arbeit begann und er schnell Karriere machte. Ungemütlich für Uhrlau ist hier gerade nur das Wetter. (abendblatt.de)