Mehr als 67 Jahre nach dem Massaker aller Franzosen in dem Ort Oradour-sur-Glane wurden jetzt sechs Verdächtige ausgemacht.

Dortmund/Potsdam. Mehr als 67 Jahre nach dem Massaker der Waffen-SS an den Bewohnern des französischen Ortes Oradour-sur-Glane haben Ermittler eine Wohnung in Brandenburg durchsucht. Der 86-Jährige aus dem Landkreis Märkisch-Oderland gehört zu bundesweit insgesamt sechs Verdächtigen. Weitere Wohnungen wurden in Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Hessen durchsucht. Sie sollen als Angehörige einer Waffen-SS-Einheit an der Ermordung von 642 Menschen, darunter überwiegend Frauen und Kinder, beteiligt gewesen sein, sagte Staatsanwalt Andreas Brendel am Montag in Dortmund. Die Ermittlungen seien durch einen Hinweis der Stasi-Unterlagenbehörde ins Rollen gekommen.

Dort waren in DDR-Akten Spuren auf die damals 18 und 19 Jahre alten Männer entdeckt worden. Die Beschuldigten, gegen die wegen Beihilfe zum Mord ermittelt werde, hätten ihre Tatbeteiligung bestritten oder seien nicht vernehmungsfähig gewesen. Wesentliche Beweismittel seien bei den Durchsuchungen nicht entdeckt werden. Man habe gehofft, Tagebücher, Dokumente oder Fotos aus der damaligen Zeit sicherstellen zu können.

Neben dem Verdächtigen aus Brandenburg leben weitere im Großraum Hannover, in Köln, im Raum Bielefeld und im Raum Darmstadt. Beamte des Landeskriminalamtes (LKA) Brandenburg haben die Durchsuchung im Landkreis Märkisch-Oderland Ende Oktober unterstützt, so ein Behördensprecher in Potsdam. Die Federführung liege jedoch bei der Dortmunder Staatsanwaltschaft. Dort ist die Zentralstelle für die Bearbeitung von nationalsozialistischen Massenverbrechen in Nordrhein-Westfalen angesiedelt.

In Brandenburg hatte auch der Kriegsverbrecher Heinz Barth bis zu seinem Tod 2007 in Gransee (Oberhavel) gelebt. Der frühere Obersturmführer der Waffen-SS war zunächst in der DDR lange Zeit unter falschen Namen unerkannt geblieben. 1983 war er dann von einem DDR-Gericht zu lebenslanger Haft verurteilt worden. 1997 kam er frei. Weil Barth im Krieg schwer verwundet worden war, erhielt er nach dem Fall der Mauer als Versehrter von 1991 bis 1998 eine Zusatzrente. Dies hatte für Empörung gesorgt.

Die Waffen-SS war am 10. Juni 1944 in den französischen Ort eingefallen und hatte fast die gesamte Bevölkerung ermordet. Frauen und Kinder – auch Babys – wurden in eine Kirche gesperrt, die dann gesprengt und angezündet wurde. Die Männer des Ortes wurden in Scheunen und Garagen getrieben und dort erschossen. Sämtliche Häuser wurden von der SS angezündet. Der völlig zerstörte Ortskern wurde nicht wieder aufgebaut und ist noch heute eine Mahn- und Gedenkstätte.

Anlass des Massakers soll die Gefangennahme eines SS-Sturmbannführers durch Widerstandskämpfer gewesen sein. Wegen der Gräueltat hatte es Gerichtsprozesse in Frankreich und in der DDR gegeben. In der Bundesrepublik war zwar mehrfach ermittelt worden, die Ermittlungen mündeten aber nie in eine Anklage. (dpa)