Rechnungshof kritisiert Krisenmangement der Behörden und regt Elitetruppe an

Berlin. Von einer "hochinteressanten Lektüre" sprach Bundesverbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU), als sie ein Gutachten des Bundesrechnungshofs über das Krisenmanagement von Bund und Ländern bei Seuchen wie EHEC und Lebensmittelskandalen gestern vorstellte. Das "hochinteressante" Gutachten stellt allerdings dem behördlichen Krisenmanagement ein schlechtes Urteil aus: Die mehr als 400 verschiedenen Kontrollbehörden übten die Überwachung von Lebens- und Futtermitteln "in sicherheitsrelevanten Bereichen uneinheitlich aus", heißt es. Man müsse "wesentliche Lücken" schließen. Die finanzielle und personelle Ausstattung der Lebensmittelüberwachung sei "vielfach unzureichend". Und: "Der Bund schöpft seine Potenziale bei der Rechtsaufsicht gegenüber den Ländern nicht aus."

Die Rechnungsprüfer regten an, eine Art Elitetruppe von Lebensmittelkontrolleuren einzurichten, die sich nur um die großen Hersteller und Händler der Branche kümmert und über produkt-, branchen- und unternehmensspezifischen Sachverstand verfügt. Das Gutachten empfiehlt eine weitreichende Neuorganisation der Überwachung von Lebensmitteln und Tierfutter, für die die Bundesländer zuständig sind. Notwendig seien stärkere Kompetenzen für den Bund, analysiert Rechnungshofpräsident Dieter Engels in dem Bericht. Zudem sprechen sich die Experten für bundesweit einheitliche Standards aus. So sei grundsätzlich festzulegen, wann bei Betriebskontrollen das Vier-Augen-Prinzip gelten solle. Der Bund müsse zudem schärfer im Blick haben, dass die zuständigen Überwachungsstellen der Länder auch ausreichend mit Personal und Geld ausgestattet sind. Die Entnahme von Proben und Vor-Ort-Kontrollen liegen in der Regel bei den örtlichen Ordnungsämtern.

Da zusehends Lebensmittel- und Handelskonzerne mit internationalen Rohstofflieferungen und Absatzmärkten zu überwachen sind, müsse es auch Kontrollen durch Spezialeinheiten mit übergreifender Kompetenz geben. Sie könnten etwa beim Bund angesiedelt sein. Die EHEC-Infektionswelle in Zusammenhang mit Gemüse-Sprossen im Sommer habe "systemimmanente Schwächen" des Krisenmanagements in Deutschland offenbart, analysiert der Rechnungshof. "Notfallpläne der Länder stehen weitgehend beziehungslos nebeneinander und sehen keine verbindlichen Strukturen für die Zusammenarbeit mit dem Bund und anderen betroffenen Ländern vor." Ein beim Bund angesiedelter "nationaler Krisenstab" solle künftig mit allen nötigen Kompetenzen ausgestattet sein und auch die Öffentlichkeit informieren.

Gemeinsam mit den Ländern müssten Schwachstellen beseitigt werden, sagte Aigner und kündigte Konsequenzen an. Auf Basis des Gutachtens soll nun eine Arbeitsgruppe aus Bund und Ländern bis zur Verbraucherministerkonferenz im Herbst 2012 über Änderungen beraten. Die FDP beantragte für die nächste Sitzung des Bundestags-Verbraucherausschusses einen Bericht der Bundesregierung dazu. Die SPD forderte Aigner auf, rasch eigene Reformvorschläge vorzulegen. Sie dürfe sich "nicht wieder hinter den Ländern verstecken". Die Verbraucherministerin wandte sich noch gegen zu schnelle Entscheidungen, die auf Bundesebene getroffen werden. "Ich setze jetzt erst mal auf Kooperation", sagte sie mit Blick auf die Arbeitsgruppe.

Der rheinland-pfälzische Verbraucherschutzminister Jochen Hartloff (SPD) sah die Vorschläge für mehr Bundeseinfluss bei der Lebensmittelüberwachung skeptisch. "Allein in der Zentralisierung kann man schwierigen Problemlagen nicht gerecht werden", sagte Hartloff der Nachrichtenagentur dpa. Er warnte auch davor, ein Allheilmittel in mehr Personal zu sehen. Dies sei zwar grundsätzlich immer wünschenswert, aber es müsse auch bezahlt werden.