Beim ersten digitalen Dialog geht es um Diäten und Cannabis

Berlin. Torsten Föste blickt durch eine dicke schwarze Brille und trägt den obersten Knopf seines Hemds offen. Er sitzt im großen Kabinettssaal des Bundeskanzleramts, also genau dort, wo sich sonst mittwochs die Regierung trifft und Gesetze verabschiedet. Föste hat eine sehr angenehme tiefe Stimme, er ist freier Journalist und er soll Fragen stellen an Angela Merkel. Fragen, die sich die sogenannte Netzgemeinde für die Bundeskanzlerin ausgedacht hat.

"Digitaler Bürgerdialog" heißt dieses Format, das am Freitag startete: Auf der Videoplattform YouTube soll Merkel auf die zehn beliebtesten Fragen der User antworten, die in den vergangenen drei Wochen aus rund 1800 Vorschlägen ausgewählt wurden. Doch nun sieht man in dem ersten der am Freitag um Punkt 12 Uhr online gestellten Videos zunächst Föste, der offenbar da ist, um der Kanzlerin vom Blatt vorzulesen, was die Internetnutzer wissen wollen. Wie in einer Talkshow guckt Merkel auch nicht in die Kamera, sondern nur zum Moderator. Typische Internetkommunikation - schnell, ungefiltert, authentisch - sieht anders aus. Ein Laptop steht zwischen den beiden. Damit man nicht vergisst, dass die Veranstaltung ja irgendwas mit dem Netz zu tun hat.

Föste startet mit der zehntbeliebtesten Frage und will sich dann bis zur beliebtesten Frage vorarbeiten. Drei Folgen sind dafür geplant, die nacheinander online gestellt werden. Es geht am Anfang um Gesundheitspolitik. Ein User will wissen, warum sich ausgerechnet Gut- und Großverdiener aus dem sozialen System der gesetzlichen Krankenkasse ausklinken dürfen und auch Beamte nicht teilnehmen. Merkel - im fliederfarbenen Blazer und mit Silberkette - antwortet, wie sie immer antwortet: Ausführlich doziert sie über die gesetzliche und private Krankenversicherung und über die Beamtenbesoldung.

"Ein historisch gewachsenes System", so Merkel, "und jedes hat seinen Vorteil und vielleicht durchaus auch einen Nachteil." Das muss reichen. Links hinter ihr sieht man die goldene, würfelförmige Uhr, die seit Konrad Adenauer auf dem Kabinettstisch steht. Im Kanzleramt ist es Viertel nach vier.

Auch bei der Frage, warum Politiker ihre Diäten selbst bestimmen dürfen, bleibt Merkel emotionslos und sachlich. Am Ende weiß der Zuschauer mehr über die Beamtenbesoldungsgruppe B6, als er je zu fragen gewagt hätte. Frage acht dreht sich um die Nebenbeschäftigungen von Abgeordneten, Nummer sieben darum, warum es nicht monatlich eine öffentliche Bürger-Sprechstunde im Bundestag gibt.

Bei der beliebtesten Frage geht es um die Droge Cannabis. Die meisten Bürger wollen wissen, wie es die Kanzlerin mit der Legalisierung hält. Doch dieser Abschnitt des Videos wird erst am Mittwoch online gestellt. Die User müssen sich noch gedulden, bis es spannend wird.