Bildungsministerin Schavan setzt sich mit Forderung nach zweigliedrigem System durch

Leipzig. Annette Schavan hatte es noch nie leicht bei Parteitagen der CDU. Ihre Wahlergebnisse als stellvertretende Parteivorsitzende waren zuletzt schlechter als die der anderen drei Vize. Besonders auffallend war die Reaktion auf die Bildungsministerin vor einem Jahr in Karlsruhe, als ihr Abstand zu den neu gewählten Vize Ursula von der Leyen, Norbert Röttgen und Volker Bouffier so deutlich war, dass von einer Abstrafung die Rede war. Schavan gilt weiterhin als zu blass und zu wenig gewinnend, sowohl in ihrem mit gewaltigen Finanzmitteln ausgestatteten Ministeramt als auch im hohen Parteiamt. Andere, die sie in Schutz nehmen, halten die Vertraute der Kanzlerin allein für eine Projektionsfläche für all diejenigen, die Angela Merkels Modernisierungskurs ablehnen.

Schwierige Voraussetzungen also für einen Parteitag, auf dem Schavan eine Hauptrolle für eine weitere Großreform zugedacht war: Als sie am späten Vormittag den Antrag des Bundesvorstands mit dem Titel "Bildungsrepublik Deutschland" vorstellte, blieb der Zuspruch der Delegierten wie erwartet zurückhaltend höflich. Es lag vielleicht an Schavan selbst, vor allem aber am Thema: In Schavans Rede verbarg sich nicht weniger als die Anerkennung des zweigliedrigen Schulsystems und der schleichende Abschied von der Hauptschule.

Jahrzehntelang hatte die CDU für den Dreiklang aus Gymnasium, Real- und Hauptschule gekämpft. Jetzt will sich die Parteispitze zu den bisherigen Zusammenschlüssen von Haupt- und Realschulen bekennen und obendrein mit der "Oberschule" eine einheitliche Bezeichnung der Schulform über die Ländergrenzen hinweg einführen. "Die Schülerzahlen gehen dramatisch zurück", begründete die Bildungsministerin ihre Bejahung des zweigliedrigen Systems. Viele Schulstandorte auf dem Land blieben nur erhalten, wenn Haupt- und Realschulen zusammengelegt würden. Zur Bekräftigung holte Schavan "Zahlen und Fakten der Wirklichkeit" hervor: "Noch zwei Prozent der Eltern wollen für ihre Kinder einen Platz in der Hauptschule."

Dem Antrag zufolge steht die CDU auch zu Haupt- und Realschulen, aber nur noch, "wo diese funktionieren und dem Elternwillen entsprechen". Ohne diesen Nachsatz hätte der Streit um die bildungspolitische Zukunft auf offener Bühne in Leipzig eskalieren können. Noch im Spätsommer hatte es danach ausgesehen. Gerade der hessische Landesverband hatte Schavan vorgehalten, sie würde über Jahrzehnte gepflegte Grundsätze der CDU-Bildungspolitik einfach über Bord werfen. Auch in der Messehalle kritisierte der hessische Fraktionschef Christean Wagner den Antrag als unnötig. Was hat sich eigentlich seit dem 2007 beschlossenen Grundsatzprogramm der CDU Neues in der Bildungslandschaft getan, fragte der hessische Delegierte. Er warnte davor, die Realschüler zu vergessen. Der Antrag kam schlussendlich mit breiter Mehrheit durch - auch mit Zustimmung des Hamburger Landesverbands.

Trotz der föderalen Kompetenz müsse sich eine Bundespartei CDU auch in grundsätzlichen Fragen der Schulpolitik positionieren, verteidigte Landeschef Marcus Weinberg im Abendblatt die Abkehr von der alten Schulpolitik. Er betonte: "Mit der Zweigliedrigkeit passen wir unser Programm der Wirklichkeit an und versuchen nicht, Überholtes zu beschwören."

Schavan löste eine weitere Debatte aus, die über die Frage der Schulstruktur hinausging. Sie machte deutlich, dass das Kooperationsverbot von Bund und Ländern bei der Bildungsfinanzierung nicht auf Dauer bestehen bleiben könne. Der Wissenschaftssektor wäre nicht dort, wo er heute sei, wenn sich nicht eine Kooperationskultur zwischen Bund und Ländern entwickelt hätte, sagte sie. Auch für den Bildungsbereich müsse in den nächsten Jahren gelten: "Kindeswohl schlägt Kooperationsverbot". Der Leitantrag der CDU-Spitze sah hier allerdings gar keine Änderung vor. Seit der Föderalismusreform ist es dem Bund untersagt, sich an der Finanzierung von Bildungsprojekten zu beteiligen. Dies ist noch allein Aufgabe der Länder.

Hamburgs CDU-Chef Weinberg unterstützte Schavans Vorstoß: "Bei aller Zustimmung zur föderalen Grundordnung muss auch die CDU über Fehlentwicklungen sprechen und Hemmnisse in der Kooperation zwischen Ländern und dem Bund abbauen. Hierüber muss weiter offen gesprochen werden." Keiner wolle den Ländern die grundsätzliche Verantwortung nehmen, sondern nur die Wirkung des Mitteleinsatzes im Bildungsbereich maximieren, stellte der Bundestagsabgeordnete klar.