Umweltminister Röttgen will Alternativen für Gorleben. Ministerpräsidenten zeigen sich reserviert

Hamburg/Berlin. "Wegducken gilt nicht." Da macht Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann keine Ausnahme. Nicht mal im eigenen Ländle. Denn der erste grüne Regierungschef Deutschlands hat - in Zusammenarbeit mit Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) eine neue Runde im jahrzehntelangen Streit um ein Endlager für radioaktiven Müll eingeläutet. Genauer: Röttgen hat alle Ministerpräsidenten für heute nach Berlin geladen, um völlig offen zu diskutieren - wo will Deutschland seinen strahlenden Abfall künftig endgültig beerdigen? Und weil sich eben alle Verantwortlichen wegzuducken scheinen, kommt außer Kretschmann nur ein weiterer Ministerpräsident zu Röttgen: Niedersachsens David McAllister (CDU), Landesvater auch der Bürger von Gorleben, wohin bald der nächste Castor-Transport rollt.

Die anderen Länderregierungen haben Referenten und Staatssekretäre geschickt. Sie mögen pikiert sein, dass die einflussreichen Länder-MPs sonst von der Kanzlerin eingeladen werden. Doch beim Thema Endlager blicken fast alle beschämt zu Boden. Kein Ministerpräsident kann seinen Bürgern verkaufen, im eigenen Bundesland werde ein Endlager erkundet. Kretschmann dagegen sagte vor dem Treffen: "Es muss der Standort sein, der der beste ist, egal wo er liegt." Und: "Suchen, ohne finden zu wollen, ist sinnlos." Auch Gorleben bleibe eine Option, sagte Kretschmann. "Da Salzstöcke grundsätzlich infrage kommen, bleibt Gorleben erst mal drin."

Die Grünen im Bund wollen die Erkundung von Gorleben stoppen. Kretschmann wandte sich gegen voreilige Festlegungen. Erst müssten strenge Kriterien für die neue Suche festgelegt werden. Bund und Länder müssten an einem Strang ziehen. "Ein Endlager zu suchen, zu finden und am Ende auch durchzusetzen, dazu ist ein nationaler Konsens erforderlich."

Derweil haben Atomkraftgegner ein eigenes Konzept für den Umgang mit hoch radioaktivem Atommüll vorgelegt. Der von der Organisation "ausgestrahlt" entwickelte "Sieben-Stufen-Plan" sehe zunächst den Stopp der weiteren Produktion von Atommüll vor, sagte Sprecher Jochen Stay in Hamburg. Weitere Voraussetzung für eine neue Endlagersuche sei der Verzicht auf den bislang favorisierten Standort Gorleben. "Solange der marode Salzstock noch im Spiel ist, wird es keinen fairen und objektiven Vergleich von Standorten geben können", sagte Stay. Umweltschützer halten Gorleben für "verbrannt", weil der Standort nicht nach wissenschaftlichen Kriterien ausgewählt worden sei und der Salzstock Kontakt zum Grundwasser sowie zu Gasfeldern habe.

Gorleben war 1976 vom damaligen niedersächsischen Wirtschaftsminister Walther Leisler Kiep (CDU) ins Spiel gebracht worden. Bis dato waren andere Salzstöcke in Niedersachsen und Baden-Württemberg favorisiert worden. Im Zuge der Energiewende nach der Atomkatastrophe von Fukushima im März gab es in diesem Jahr eine neue Bereitschaft in Schlüsselländern wie Bayern und Baden-Württemberg, einen Neustart zu wagen. Doch passiert ist bisher wenig.

Röttgen will einen Konsens wie beim Atomausstieg, der dann im kommenden Jahr in ein "Endlagersuchgesetz" münden könnte. Wenn es einen Neustart bei der Suche geben soll, könnte er auch den Gesetzentwurf seines Amtsvorgängers Jürgen Trittin (Grüne) aus der Schublade kramen. Das sagt zumindest die Opposition. Trittin wollte eine neue Suche starten, nachdem er einen Erkundungsstopp für das Lager in Gorleben verfügt hatte. Doch der Regierungswechsel 2005 kam Trittin dazwischen.