Arbeitnehmerflügel will beim Parteitag für Lohnuntergrenze kämpfen

Berlin. Eigentlich sollte der Parteitag der CDU in der kommenden Woche eine Entscheidung bringen. Doch wenige Tage vor dem Treffen in Leipzig ist in der Partei kein klarer Kurs beim Mindestlohn ersichtlich. Sozial- und Wirtschaftsflügel der CDU streiten über die Positionierung der Partei in dieser Frage. Der Arbeitnehmerflügel fordert eine allgemeine und verbindliche Lohnuntergrenze, die von einer Kommission der Tarifpartner ausgehandelt wird und sich an der Zeitarbeit orientiert. Die Mindestlöhne dort betragen 7,89 Euro pro Stunde im Westen und 7,01 Euro im Osten Deutschlands.

Doch auch die Parteivorsitzende, Bundeskanzlerin Angela Merkel, lehnt diese Orientierung am Zeitarbeitstarif ab und will auch keine einheitliche Lohnuntergrenze, sondern eine Differenzierung nach Branchen und Regionen. Der Koalitionspartner FDP lehnt einen Mindestlohn grundsätzlich ab.

Die Opposition im Bundestag sieht die Wende in der CDU zu einem allgemeinen Mindestlohn bereits als gescheitert an. SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles sagte gestern in einer Parlamentsdebatte: "Sie können nicht liefern." Redner der Union erklärten, man müsse den Parteitag abwarten.

Noch in der vergangenen Woche habe es eine Aussicht auf einen Mindestlohn-Beschluss der CDU gegeben, sagte Nahles. Doch nun sei die Kanzlerin umgefallen. "Diesmal aber in die falsche Richtung", sagte Nahles: "Es wird mit Ihnen leider keinen Mindestlohn in Deutschland geben."

Der Chef des CDU-Arbeitnehmerflügels (CDA), Karl-Josef Laumann, kündigte einen Kampf für den Mindestlohn auf dem Parteitag an. Laumann warf Merkel in der "Rheinischen Post" vor, sie wolle in Wahrheit keine Lohnuntergrenze. "Wenn die Kanzlerin regionale und nach Branchen differenzierte Mindestlöhne will, dann ist das keine allgemeine Lohnuntergrenze mehr", sagte Laumann.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) reagierte mit Unverständnis auf den Streit in der CDU um eine allgemeine Lohnuntergrenze. Auch DGB-Vorstandsmitglied Claus Matecki kritisierte, dass Merkel Mindestlöhne nach Regionen und Branchen differenzieren will. "Das Ergebnis wäre ein intransparentes Wirrwarr von nicht existenzsichernden Tarifen", sagte Matecki.

Die Arbeitsmarktforscher der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung verweisen bei der Berechnung eines Mindestlohns auf Sozialstandards wie die Pfändungsfreigrenze, das Existenzminimum oder die Lohnuntergrenzen in Nachbarländern. Modelle des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts in der Stiftung kommen auf einen möglichen Bruttomindestlohn zwischen 8,62 Euro und 12,24 Euro bei einer 38-Stunden-Woche.