Sozialsenator Detlef Scheele kritisiert Betreuungsgeld. Ministerin Schröder hält an Rechtsanspruch auf Kita-Platz fest

Hamburg/Berlin. Der Zeitpunkt für die Veröffentlichung der Zahlen zu Kinderbetreuungsplätzen hätte für die Bundesregierung kaum schlechter sein können: Gerade erst hatte sich die CDU/FDP-Koalition auf das Betreuungsgeld für Kleinkinder geeinigt, da zog das Statistische Bundesamt eine ernüchternde Bilanz: Bis zum Jahr 2013 fehlen noch mehr als 230 000 Krippenplätze, wobei der Nachholbedarf ausschließlich die alten Bundesländer trifft. Im Westen lag die Betreuungsquote für unter Dreijährige im März bei 20 Prozent und damit 15 Prozentpunkte unter dem von Bund, Ländern und Kommunen anvisierten Ziel für 2013. In den neuen Ländern (ohne Berlin) beträgt die Quote dagegen schon 49 Prozent und ist damit höher als das Ziel.

Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) beeilte sich zu beschwichtigen: "Am Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz werde ich nicht rütteln, der Druck muss im Kessel bleiben." Das Geld vom Bund sei da und die Zeit dränge. Die Länder müssten jetzt rasch Klarheit schaffen, wie sie den Ausbau pünktlich schaffen wollten.

Unterdessen erneuerten Politiker wie Interessensverbände ihre Kritik am Betreuungsgeld. Es sieht vor, dass Eltern, die ihre unter dreijährigen Kinder selbst betreuen, von 2013 an 100 Euro monatlich und von 2014 an 150 Euro monatlich erhalten. "Das geplante Betreuungsgeld ist ein familienpolitischer Irrweg", sagte Hamburgs Sozialsenator Detlef Scheele (SPD) dem Abendblatt. "Denn es konterkariert die Bemühungen des Senats, gerade sozial schwachen Familien ausdrücklich nahezulegen, das Angebot von Kita und Krippenplätzen so früh wie möglich zu nutzen." Scheele verwies darauf, dass Hamburg in Westdeutschland Spitzenreiter beim Ausbau der Krippenplätze ist: "Mit einer Betreuungsquote von 32,4 Prozent liegt Hamburg weit über dem Durchschnitt der westdeutschen Bundesländer von 20 Prozent." Im August 2012 werde Hamburg zudem für alle zweijährigen Kinder einen Rechtsanspruch auf Krippenbetreuung einführen, so der Sozialsenator. "Bis 2015 wird die fünfstündige Betreuung in Krippen und Kitas sogar kostenlos."

Auch der Präsident des Deutschen Kinderschutzbundes, Heinz Hilgers, forderte, dass Eltern sich darauf verlassen können müssten, dass der Rechtsanspruch umgesetzt werde. Wenn gleichzeitig ein Betreuungsgeld eingeführt werde, bestehe die Gefahr, dass der Staat den Kindern das Recht auf frühkindliche Erziehung günstig abkaufe. Der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Hubertus Heil, sprach von einer "Fernhalteprämie für Frauen", die dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stünden.

Christoph de Vries, familienpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft, nannte das Betreuungsgeld dagegen ein "wichtiges Signal an die Eltern, die zugunsten der Erziehung ihrer Kinder eine Zeit lang ihre Erwerbstätigkeit einschränken und damit bewusst finanzielle Einbußen in Kauf nehmen". Zu Recht habe Hamburg Millionen in den Ausbau der Kindertagesbetreuung investiert, das müsse gerade im Krippenbereich weitergehen. "Gleichzeitig dürfen aber nicht diejenigen Eltern vergessen werden", so de Vries, "die sich in den ersten Lebensjahren ihrer Kinder gegen eine Betreuung in Kindertageseinrichtungen entscheiden."