Die Höhe soll nach den Vorstellungen von Sozialminister Heiner Garg eine Kommission aus Arbeitnehmern, Arbeitgebern und Wissenschaftlern festlegen

Berlin. Schleswig-Holsteins Sozialminister Heiner Garg (FDP) geht bei dem nächsten Treffen mit seinen Länderkollegen Ende November mit einem Antrag für verbindliche Lohnuntergrenzen in die Offensive. Er soll ein Kompromiss sein zwischen einem staatlich verordneten Mindestlohn, wie ihn etwa die SPD fordert, und der strikten Ablehnung allgemein verbindlicher Löhne, wie meist von der FDP und Teilen der Union geäußert.

"Wir brauchen verbindliche Lohnuntergrenzen. Es ist völlig inakzeptabel, dass Menschen fünf Tage in der Woche je acht Stunden arbeiten und nicht von ihrem Einkommen leben können", sagte Garg dem Abendblatt. "Diesen Missstand können wir nicht mehr ignorieren." Nach Zahlen der Bundesagentur für Arbeit hat es 2010 in Deutschland rund 1,4 Millionen sogenannter "Aufstocker" gegeben, also Berufstätige, die zusätzlich Hartz IV erhalten, weil ihr Einkommen nicht zum Leben reicht. Das waren 4,4 Prozent mehr als 2009 und sogar 13 Prozent mehr als 2007.

Garg betonte, es sei darüber hinaus "weder marktwirtschaftlich noch ordnungspolitisch vertretbar", dass einige Unternehmen in manchen Branchen und Regionen niedrigste Löhne zahlen und sich darauf einstellten, "dass sie vom Staat mit Steuerzahlermitteln dauerhaft subventioniert werden".

Das Aufstocken sei zwar eine Möglichkeit, Arbeitslosen eine Brücke in den Arbeitsmarkt zu eröffnen, werfe jedoch dann Probleme auf, wenn beispielsweise Stammbelegschaften systematisch in den Niedriglohnbereich überführt würden, heißt es in dem Antragspapier des FDP-Politikers, das dem Abendblatt vorliegt.

Anders als jedoch SPD, Grüne oder Linke fordert Garg keinen gesetzlich vom Staat festgelegten Mindestlohn, sondern will eine Lohnuntergrenze "so politikfern wie möglich" gestalten. Sein Konzept ähnelt dabei dem vor einem Monat von Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) im Abendblatt-Interview geäußerten Vorschlag. So solle eine Kommission aus Vertretern von Arbeitnehmern, Arbeitgebern und Wissenschaft verbindliche Lohnuntergrenzen erarbeiten. "Diese könnten dann branchenspezifisch oder regional festgelegt werden - oder überall einheitlich sein. Das hängt vom Ergebnis der Kommission ab", so Garg.

Innerhalb der FDP sind Lohnuntergrenzen jedoch heftig umstritten. Gesetzliche, branchenübergreifende Mindestlöhne lehnen die Liberalen entschieden ab. Aus ihrer Sicht sind Löhne Sache der Tarifparteien. "Ich will auch in meiner eigenen Partei für Lohnuntergrenzen sensibilisieren", sagt Garg deshalb. "Die bisher starre Ablehnung eines Mindestlohns führt nicht zu einer Lösung des Problems." Auf der anderen Seite müssten jedoch auch die Sozialdemokraten "ihre ideologischen Schützengräben verlassen" und dürften nicht auf einem staatlich festgelegten Mindestlohn beharren, forderte er. "Mit meinem Antrag will ich eine Brücke zwischen beiden Positionen schlagen."

Konkrete Schritte wurden unterdessen in Mecklenburg-Vorpommern unternommen. SPD und CDU verständigten sich in ihren Koalitionsvereinbarungen darauf, Aufträge des Landes künftig nur noch an Firmen zu vergeben, die ihren Beschäftigten Stundenlöhne von mindestens 8,50 Euro zahlen. Dazu soll das Landesvergabegesetz geändert werden. Die Christdemokraten werden sich im November zudem auch auf Bundesebene mit dem Thema befassen. Der Arbeitnehmerflügel der Partei will bei dem anstehenden Parteitag einen Antrag für gesetzliche Mindestlöhne einbringen.