Der neue Sozialreport des Statistischen Bundesamtes zeichnet ein düsteres Bild zur Situation in Deutschland. Vor allem hohe Wohnkosten sind für viele belastend

Berlin. Die Armen werden ärmer, und die Reichen werden reicher - das Bild der Schere zwischen denen, die viel haben, und denen, die nur über wenig verfügen, wird gern verwendet, um die Situation in Deutschland verkürzt zu beschreiben. Doch auf aktuelle Zahlen des Statistischen Bundesamtes passt es genau. Denn wie der gestern vorgelegte Sozialbericht "Datenreport 2011" der Wiesbadener Behörde, des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung und der Bundeszentrale für politische Bildung zeigt, hat sich die soziale Kluft in der Bundesrepublik 2009 erneut vergrößert.

"Inzwischen ist das Ausmaß der Einkommensungleichheit auf einem der höchsten Niveaus der vergangenen Jahrzehnte angelangt", schreiben die Forscher in ihrem Bericht. Konkret heißt das: 2009 verfügten die ärmsten 20 Prozent der Bevölkerung über 9,4 Prozent des monatlichen Gesamteinkommens der privaten Haushalte. 2001 belief sich dieser Anteil noch auf 10,1 Prozent, 1997 auf 10,3 Prozent. Die reichsten 20 Prozent der Bevölkerung hatten demgegenüber 36,3 Prozent des Gesamteinkommens zur Verfügung. 34,3 Prozent waren es 1997.

Gleichzeitig ist es für die Armen schwerer geworden, sich aus der Armut zu befreien. So hat sich für die ärmsten 20 Prozent das Risiko seit den 80er-Jahren von 57 Prozent auf 65 Prozent erhöht, in diesem unteren Einkommensbereich zu bleiben. Fast 90 Prozent waren in den vier Jahren zuvor mindestens einmal von Armut betroffen, ein Drittel ist schon seit mehr als fünf Jahren arm. "Der Satz: ,Einmal arm, immer arm' gilt. Die soziale Mobilität in Deutschland nimmt ab", sagte die Soziologin Jutta Allmendinger vom Wissenschaftszentrum Berlin bei der Präsentation des Berichtes. Für Wohlhabende sind die Chancen dagegen gestiegen, sich ihr Einkommen zu sichern - und zwar von 38 Prozent in den 80er-Jahren auf heute 51 Prozent.

Als armutsgefährdet gilt, wer im Vergleich zur Gesamtbevölkerung 60 Prozent des mittleren Einkommens unterschreitet. In Deutschland ist jemand demnach dann armutsgefährdet, wenn er weniger als 11 151 Euro im Jahr oder 929 Euro im Monat zur Verfügung hat. Im Jahr 2008 traf das auf 16 Prozent der Deutschen zu. Zu schaffen machen ihnen dabei vor allem die Wohnkosten. Für jeden dritten Armutsgefährdeten stellen diese eine "große Belastung" dar, 16 Prozent ist es aus finanziellen Gründen nicht möglich, die Wohnung angemessen warm zu halten. Jeder Vierte berichtet von Feuchtigkeitsschäden oder Fäulnis innerhalb der eigenen vier Wände, jeder Fünfte klagt über Kriminalität, Gewalt oder Vandalismus in seinem Wohnumfeld. In den meisten Fällen sind diese Werte mehr als doppelt so hoch wie bei den nicht Gefährdeten. "Ausgaben des täglichen Lebens stellen für Armutsgefährdete häufig eine unüberwindbare finanzielle Hürde dar", heißt es in dem fast 500 Seiten starken Sozialbericht.

Ihren Lebensunterhalt finanziert die Hälfte der Deutschen durch eigene Arbeit - die Erwerbstätigkeit der Frauen hat hierbei zugenommen. Immer mehr Frauen arbeiten heute in Vollzeit. 27 Prozent der Deutschen leben von Renten oder Pensionen, 15 Prozent werden von ihren Angehörigen finanziert, acht Prozent bestreiten ihren Lebensunterhalt aus Sozialleistungen. In diesem Zusammenhang ist Berlin nach wie vor die Stadt mit den meisten Empfängern des Arbeitslosengeldes II. 21 Prozent der Hauptstädter beziehen Hartz IV. Hamburg liegt mit 13,5 Prozent auf Platz sieben, der Durchschnitt liegt bei 10,1 Prozent.

Die wirtschaftliche Situation der Deutschen macht sich dabei auch in ihrem Gesellschaftsbild bemerkbar: Der Gegensatz zwischen Arm und Reich wird sowohl in West- als auch in Ostdeutschland als der stärkste Konflikt in der Bundesrepublik wahrgenommen. Zurückgegangen ist zwar der gefühlte Unterschied zwischen Ost und West - allerdings nimmt noch immer jeder zweite Westdeutsche diesen Konflikt als bedeutsam wahr.