Parteispitze nennt Mitgliederentscheid zur Euro-Rettung Chance - und fürchtet das Ergebnis

Berlin. FDP-Generalsekretär Christian Lindner scheint bei seinen Literaturstudien auf den amerikanischen Senator James E. Watson oder den chinesischen Militärstrategen Sun Tzu gestoßen sein. Von denen ist die Weisheit überliefert: "Wenn du einen Gegner nicht besiegen kannst, dann schließe dich ihm an." Jedenfalls hat Lindner sich diesen Ratschlag im Umgang mit einem schwierigen Parteifreund zu eigen gemacht.

Die Rede ist von Frank Schäffler, seines Zeichens liberaler Bundestagsabgeordneter und Initiator eines Mitgliederentscheids über die Euro-Rettungspolitik der Regierung. Anders als die FDP-Spitze hält der Betriebswirt aus Herford die immer neuen Finanzgarantien für überschuldete Euro-Staaten für einen Irrweg, gar eine "Perversion der Marktwirtschaft". Weil er für seine Position aber weder in der Fraktion noch bei den Delegierten des Bundesparteitags eine Mehrheit gewinnen konnte, erzwang er nun einen Mitgliederentscheid: In nicht einmal vier Wochen sammelte Schäffler 3650 Unterschriften und erfüllte damit das notwendige Quorum von fünf Prozent der rund 65 000 Parteimitglieder. In seinem Antrag wirbt er nun darum, die Einrichtung des nächsten Rettungsschirms mit Namen ESM abzulehnen, über den der Bundestag Anfang 2012 entscheiden soll.

In der Parteiführung galt Schäffler lange als isolierter Außenseiter, als Egomane, ständig auf "dem schmalen Grat zwischen Genialität und Wahnsinn" wandelnd. Nun aber, da der Mitgliederentscheid nicht mehr zu verhindern ist, ändert sich die Tonlage. Man betrachte das Votum des Parteivolks als "Chance" für eine demokratische Legitimation der Euro-Rettungspolitik, sagte Lindner der "Welt".

Die Basisbefragung mag die Parteiführung nun zwar offiziell gutheißen, den Inhalt von Schäfflers Antrag aber will sie nach wie vor bekämpfen. Das wird schon dadurch deutlich, dass Lindner die Unterschriftenliste am nächsten Montag nicht - wie von Schäffler erhofft - persönlich entgegennehmen wird. Um unnötige Aufmerksamkeit zu vermeiden, übernimmt die unbekannte Bundesgeschäftsführerin Gabriele Renatus diese Aufgabe. Danach läuft das Verfahren strikt nach Satzung: Die Unterschriften werden geprüft, dann wird der Antrag zusammen mit einer Gegenposition des Bundesvorstands verschickt. Dieser "Alternativantrag" soll am 24. Oktober fertig sein. Dafür geworben wird ab sofort, und zwar mit allem, was die FDP an Prominenz zu bieten hat: Neben Lindner und Parteichef Philipp Rösler werden der Ehrenvorsitzende Hans-Dietrich Genscher und Außenminister Guido Westerwelle die Regierungslinie vertreten.