Regierungschef Klaus Tschütscher im Gespräch über griechische Konten, die Verfolgung von Steuersündern und seine Liebe zum HSV.

Hamburg. Die Steueraffäre um den früheren Post-Chef Klaus Zumwinkel vor drei Jahren hat Liechtenstein verändert. Darauf weist Regierungschef Klaus Tschütscher hin, der für fünf Tage nach Norddeutschland gekommen ist.

Hamburger Abendblatt: Herr Regierungschef, was versprechen Sie sich von Ihrem ersten Besuch im Norden?

Klaus Tschütscher: Wir treffen uns mit Freunden und stellen Liechtenstein so dar, wie es ist.

Wie ist es denn?

Tschütscher: Liechtenstein besteht aus mehr als Bankkonten. Wir sind das höchstindustrialisierte Land Europas. Außerdem haben wir riesige Kunstschätze. Und wir sind gut im Sport. Im Moment sind unsere Kickboxer sehr erfolgreich. Was den Fußball angeht, schlägt mein Herz allerdings für den HSV.

Im Ernst?

Tschütscher: Ja, seit 30 Jahren. Ich habe Kevin Keegan bewundert, der damals von Liverpool zum HSV gewechselt ist. Ich bekenne mich auch in schwierigen Zeiten zu meinem Verein. Am Wochenende gehe ich in die Arena und schaue mir das Spiel gegen Schalke an.

Bringen Sie Glück?

Tschütscher: Ich hoffe. Das letzte HSV-Spiel, das ich im Stadion gesehen habe, war in der Saison 2007/2008 ebenfalls gegen Schalke. Es ging 0:1 verloren.

Sind Sie froh, dass Liechtenstein nicht den Euro hat?

Tschütscher: Ganz klar ja. Wir haben seit 1923 mit der Schweiz eine Währungsunion. Der Schweizer Franken ist unserer Bevölkerung so ans Herz gewachsen wie das Schloss.

Wie spürt das Fürstentum die Euro-Krise?

Tschütscher: Wir haben einen überstarken Franken. Unsere Unternehmen haben volle Auftragsbücher, aber die Gewinnmargen gehen in den Keller. Ich bin froh, dass die Schweizer Nationalbank ein Wechselkursziel definiert hat.

Wie bewerten Sie das Krisenmanagement der Euro-Länder?

Tschütscher: Die deutsche Regierung spielt eine gute Führungsrolle. Die Bundestagsabstimmung zur Ausweitung des Euro-Rettungsschirms hat das bestätigt.

Verstehen Sie die Furcht der Deutschen, zum Zahlmeister Europas zu werden?

Tschütscher: Wir müssen Aufklärungsarbeit leisten. Es ist im Interesse Deutschlands, Griechenland und andere Schuldenstaaten zu retten. Das ist keine Entwicklungshilfe. Die hoch verschuldeten Länder müssen alles tun, um ihre Arbeitsproduktivität zu erhöhen. In meinem Land wird mindestens 42 Stunden in der Woche gearbeitet. Daran werden sich andere orientieren müssen.

Liechtenstein hat nur 36 000 Einwohner, aber viel Geld. Könnte Vaduz eine Rolle bei der Rettung der Griechen übernehmen?

Tschütscher: Unser Staatshaushalt umfasst eine Milliarde Euro. Das ist nicht die Größenordnung, um die es geht. Wir könnten aber auf dem Feld der Steuern zu einer Lösung beitragen. Steuerabkommen, wie sie zwischen Deutschland und der Schweiz oder zwischen Deutschland und Liechtenstein angestrebt werden, sollte man auch den Griechen anbieten. So kommen sie zu ihren legitimen Steueransprüchen.

Liegt viel griechisches Geld in Liechtenstein?

Tschütscher: Das kann ich nicht beurteilen. Ich glaube nicht. Es gibt aber offiziell bekannte und natürlich ganz legal tätige Stiftungen wie zum Beispiel die weltweit operierende und wohltätige Onassis-Stiftung.

Ist es ausgeschlossen, dass Liechtenstein eines Tages der EU beitritt?

Tschütscher: Wir gehören zum Europäischen Wirtschaftsraum, damit sind wir glücklich. Die EU wäre dann doch eine Schuhnummer zu groß. Stellen Sie sich vor, Liechtenstein müsste für ein halbes Jahr die Ratspräsidentschaft übernehmen. Wie soll man das mit 800 Beamten organisieren? Wir haben 120 Polizisten und einen Polizeihund. Die sorgen für unsere Sicherheit. Das Militär haben wir abgeschafft.

Die Drohung des ehemaligen Finanzministers Steinbrück, die Kavallerie in Steuerparadiese zu schicken, muss Sie da besonders getroffen haben ...

Tschütscher: (lacht) Wir würden die Pferde in unserem Land füttern, wenn es so weit wäre. Im Ernst: Die Zeiten der Auseinandersetzung sind vorbei. Wir haben seither mehrere Steuerabkommen geschlossen. Unsere Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium der Finanzen ist ausgezeichnet.

Peer Steinbrück hat beste Chancen, Kanzlerkandidat der SPD zu werden. Eine gute Nachricht für das Fürstentum?

Tschütscher: Jeder Bundeskanzler und jede Bundeskanzlerin ist in Liechtenstein herzlich willkommen.

Liechtenstein gilt nach wie vor als Dorado für Steuersünder ...

Tschütscher: Wir müssen uns von der Mär verabschieden, dass bei uns Anonymität herrscht. Neue Gesetze und Steuerabkommen mit anderen Staaten haben Transparenz geschaffen.

Sie haben die gröbsten Auswüchse beseitigt - mehr nicht.

Tschütscher: Wir schließen Amtshilfeabkommen über Informationsaustausch nach dem Standard der OECD, der weltweit anerkannt ist. 2009 haben wir einen solchen Vertrag mit Deutschland unterzeichnet.

Bei Ermittlungen, die auf der Basis geklauter Bankdaten stattfinden, verweigert Liechtenstein die Amtshilfe.

Tschütscher: Ja, das ist so. Wir sind nicht bereit, gegen die öffentliche Ordnung in unserem Land zu verstoßen. Wir haben kein Verständnis dafür, dass sich Staaten wie Deutschland mit Rechtsbrechern einlassen. Die Nutzung einer CD mit gestohlenen Daten einer liechtensteinischen Bank ist eine unzulässige Einmischung in die inneren Angelegenheiten unseres Landes.

Deutschland und Liechtenstein verhandeln über den Umgang mit unentdeckten Steuersündern. Welche Regelung schwebt Ihnen vor?

Tschütscher: Vorbild könnte entweder das gerade abgeschlossene Abkommen zwischen Deutschland und der Schweiz sein. Danach sollen Altfälle anonym bleiben, wenn eine pauschale Abgeltungssteuer an die deutschen Steuerbehörden gezahlt wird. Vorbild könnte aber auch ein Abkommen sein, das wir 2009 mit Großbritannien geschlossen haben. Dort können britische Steuerpflichtige ein völkerrechtlich verbindlich festgelegtes Offenlegungsprogramm in Anspruch nehmen. Mit klaren Regeln und Fristen.

Solche Vereinbarungen sind verheerend für die Steuermoral.

Tschütscher: Ich rate zu Pragmatismus. Wer eine Lösung möchte, muss zu Kompromissen bereit sein.