Thissen sieht dagegen in der Ökumene deutliche Wegweisung

Hamburg. Die evangelische und katholische Kirche in Norddeutschland haben die ökumenischen Signale von Papst Benedikt XVI. unterschiedlich aufgenommen. Bischof Gerhard Ulrich, Vorsitzender der Kirchenleitung der Nordelbischen Kirche, zeigte sich im Abendblatt enttäuscht: "Der Besuch von Benedikt XVI. im Augustinerkloster zu Erfurt, sein Gespräch mit der Delegation der EKD und der gemeinsame Gottesdienst in dem Augustinerkloster waren sicher ein wichtiges Zeichen. Allerdings bin ich vom Ergebnis der Gespräche und der Ansprache Benedikts ernüchtert." Zwar habe der Papst im Gespräch Martin Luthers Ringen um die Wahrheit gewürdigt; aber in seiner Ansprache an diesem herausragenden Ort der Reformation habe jeder Bezug zur Reformation gefehlt.

"Ich hatte mir einige Hinweise zumindest zu konkreten ökumenischen Problemen gewünscht, wie zum Beispiel zur Teilnahme konfessionsverschiedener Eheleute an der Eucharistie. Auch zur Sehnsucht nach Überwindung der Spaltung fehlten Aussagen." Auch ein ökumenischer Blick auf die Chance des Reformationsjubiläums 2017 hätte beiden Konfessionen gutgetan, so der evangelische Bischof. Er habe keine "ökumenischen Geschenke" erwartet. Aber für ihn seien Erwartungen ökumenischer Schritte des Verstehens und des gemeinsamen Einübens keineswegs "Missverständnisse des Glaubens". Seine Hoffnung richte sich weiterhin nicht zuerst nach Rom, sondern an die konkrete Ökumene vor Ort, die sehr viel weiter sei und die das "Hineinleben in den Glauben", das Benedikt fordere, seit Langem vielerorts praktiziert.

Der Besuch habe mit Sicherheit die katholischen Christen gestärkt. Aber zum Beispiel der am letzten Tag ergangene Aufruf zur "Treue zu Rom zeige doch auch die unterschiedlichen Kirchenverständnisse zwischen den Konfessionen deutlich auf", so Ulrich.

Der Hamburger Erzbischof Werner Thissen betonte im Abendblatt, dass von dieser Reise "eine deutliche Wegweisung in der Ökumene" bleibe, weniger in Worten als durch Gesten und durch die Orte, an denen Papst Benedikt sich aufgehalten hat". Gerade auch die Umarmung mit dem Präses der Evangelischen Kirche Deutschlands, Nikolaus Schneider, nach dem Gespräch im Augustinerkloster in Erfurt wertete der Geistliche, der den Papst auf allen Stationen begleitet hatte, als "wichtiges Zeichen". Beide Kirchen, das habe der Papst deutlich gemacht, seien der Wahrheit verpflichtet und könnten eben nicht wie Politiker über Positionen verhandeln. Insofern wären Worte auf dem schwierigen Feld der ökumenischen Annäherung nur Absichtserklärungen gewesen, so Thissen. "Es bleibt ein mühsamer Weg, aber durch die Begegnung in Erfurt hat er neuen Schwung bekommen."

Zum zweiten kontroversen Thema des Papstbesuchs, dem Umgang mit den Missbrauchsopfern, sagte der Hamburger Erzbischof des flächenmäßig größten Bistums in Deutschland: "Es ging bei dem Treffen mit den Opfern weniger um ein politisches als um ein menschliches Signal." Er habe sich in kleinem Kreis lange mit den Opfern unterhalten. "Die Botschaft ist: Wir erkennen das Leid und das Unrecht an, das ihnen auch von uns, von der Kirche, zugefügt worden ist", sagte Thissen. Wichtig sei jetzt, dass die Kirche alles tue, damit so etwas nicht wieder passiere.

Für viele Menschen im Land sei der Deutschlandbesuch des Papstes eine "Ermutigung im Glauben", sagte Thissen. Ihn selbst hätten zwei Erlebnisse besonders berührt: "Die Rede im Bundestag, bei der der Papst von der Ökologie der Natur auf die Ökologie des Menschen gekommen ist." So wie man die Natur nicht überfordern dürfe, dürfe man auch den Menschen nicht überfordern, indem man ihn von den Quellen des Glaubens abschneidet. "Das hat viele Politiker sehr nachdenklich gemacht." Besonders schön sei auch die Vigilfeier mit Zehntausenden jungen Leuten am Sonnabend gewesen.