Sozialdemokraten in Mecklenburg-Vorpommern stimmen für Verhandlungen mit CDU. In Berlin deutet sich Rot-Grün an

Rostock. Die SPD in Mecklenburg-Vorpommern will weiter mit der CDU regieren. Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) sagte gestern Abend in Rostock, die Landtagsfraktion und die Parteigremien hätten einstimmig beschlossen, mit der CDU Koalitionsverhandlungen aufzunehmen. Sollte sich die SPD mit den Christdemokraten auf ein Bündnis einigen, würde das die Fortsetzung der seit fünf Jahren bestehenden Großen Koalition in Schwerin bedeuten. Sellering sagte dem NDR-Nordmagazin: "Wir sind der Meinung, dass wir mit der CDU das Land in den kommenden fünf Jahren weiter gut voranbringen können."

Es habe sehr gute Gespräche sowohl mit den Christdemokraten als auch mit den Linken gegeben, berichtete Sellering. Den Ausschlag für die Entscheidung habe die hohe Akzeptanz der bisherigen rot-schwarzen Regierungskoalition gegeben. "Viele Menschen haben gesagt: Setzt das bitte fort. Das soll nun geschehen", fügte der Regierungschef hinzu.

Nach dem vorläufigen Endergebnis der Landtagswahl konnte die SPD 35,6 Prozent der Wählerstimmen auf sich vereinigen. Koalitionen waren möglich mit der CDU, die mit 23 Prozent ihr bislang schlechtestes Ergebnis erzielte, oder mit den Linken, deren Stimmenanteil 18,4 Prozent betrug. Im Landtag verfügt die SPD über 27 und die CDU über 18 Sitze. Mit zusammen 45 Abgeordneten hätte die Koalition neun Sitze mehr als zur absoluten Mehrheit notwendig. Ein rot-rotes Bündnis hätte 41 der 71 Abgeordneten umfasst.

"Die SPD hat sich gegen einen Politikwechsel ausgesprochen", sagte Steffen Bockhahn, der Landeschef der Linken, dem Abendblatt. Dabei habe seine Partei in den Sondierungsgesprächen viele Übereinstimmungen mit den Sozialdemokraten gesehen, etwa bei Themen wie dem Mindestlohn oder einem öffentlich geförderten Beschäftigungssektor. Bockhahn gab sich kämpferisch: "Wir werden diese Themen auch weiterhin in den Mittelpunkt unserer Politik rücken, dann eben für die nächsten fünf Jahre aus der Opposition heraus."

Zuvor war am Nachmittag die dritte Runde der Sondierungsgespräche zwischen der SPD auf der einen Seite und der CDU beziehungsweise der Linken auf der anderen Seite zu Ende gegangen. Nach den Gesprächen waren rund 70 SPD-Politiker aus Parteivorstand, Parteirat sowie der neuen Landtagsfraktion in Rostock zusammengekommen, um die Empfehlungen des sozialdemokratischen Verhandlungsteams zu beraten. Bereits nach einer Stunde stand die Entscheidung für die CDU fest. Wie Sellering ankündigte, sollen die Koalitionsgespräche "ab sofort" beginnen. Die SPD will für den 22. Oktober einen Parteitag einberufen, auf dem der dann vorliegende Koalitionsvertrag beschlossen werden soll.

Ein Schwerpunkt der künftigen Koalition sei der Mindestlohn. Ziel sei, dass die Löhne im Nordosten steigen, sagte Sellering. "Da können wir nicht auf den Bund warten." SPD und CDU wollen darüber hinaus die Situation in den Kitas des Landes verbessern, beispielsweise mit einem kostenlosen Mittagessen. Zudem sollen die Krippenplätze billiger werden. Die solide Finanzpolitik werde fortgesetzt, betonte Sellering. Über die künftige Struktur der Regierung machte Sellering keine Angaben, er machte aber deutlich, dass sich die Stärke der SPD nach der Wahl wiederfinden werde.

Auch in Berlin kam die SPD der Regierungsbildung näher: Nach den Wahlen zum Abgeordnetenhaus am Sonntag stehen die Zeichen deutlicher auf Rot-Grün als bisher. Beide Seiten lobten ein fast vierstündiges Treffen von SPD-Wahlsieger Klaus Wowereit und der grünen Spitzenkandidatin Renate Künast. "Es war ein sehr vertrauensvolles Gespräch in sehr angenehmer Atmosphäre. Das hat Vertrauen geschaffen", resümierte der Regierende Bürgermeister Wowereit anschließend. Die Ex-Grünen-Spitzenkandidatin Renate Künast sagte in ihrer ersten Bilanz: "Freundlich, sachlich und eine Schale Kartoffelsuppe."

Es habe sehr viele Übereinstimmungen gegeben, aber beim Weiterbau der Stadtautobahn A100 auch Dissens, sagten beide. Die SPD ist für den Bau, die Grünen waren im Wahlkampf dagegen. Deswegen werde es voraussichtlich eine zweite Sondierungsrunde mit den Grünen nach der Sondierung mit der CDU am heutigen Donnerstag geben, sagte Wowereit. "Ich gehe davon aus, dass wir noch Gesprächsbedarf haben." Wowereit wie Künast betonten die großen Schnittmengen bei den Themen Bildung, Integration und Wirtschaft.

Rot-Grün hätte nur eine Mehrheit von einer Stimme über der absoluten Mehrheit. Ein Bündnis von SPD und CDU hätte eine deutlich komfortablere Mehrheit. Die Frage habe in dem Gespräch mit den Grünen aber "gar keine Rolle gespielt", sagte Wowereit.