Staatschef Gül: Einwanderer aus der Türkei sollen Deutsch lernen

Hamburg/Essen. Der türkische Staatspräsident Abdullah Gül hat kritisiert, dass der Beitrag türkischer Einwanderer an der deutschen Wirtschaftsleistung heute zu gering geschätzt wird. Gül sagte in einem gemeinsamen Interview der "Zeit" und der türkischen Zeitung "Zaman": "Die türkischen Gastarbeiter haben mit Schweiß auf der Stirn ihren Beitrag dazu geleistet, dass Deutschland eine der stärksten Wirtschaftsmächte der Welt geworden ist." Jetzt scheine dieser Beitrag vergessen. Zugleich mahnte Gül eine größere Bereitschaft der türkischstämmigen Deutschen an, Deutsch zu lernen. "Das bedeutet doch Integration: Die Regeln des Landes befolgen, in dem man lebt. Diesem Land dienen."

Ungeachtet der Kritik Güls erinnerten gestern Deutsche und türkische Politiker an das vor 50 Jahren geschlossene deutsch-türkische Anwerbeabkommen und mahnten weitere Anstrengungen in der Integrationspolitik an. NRW-Integrationsminister Guntram Schneider (SPD) dankte den türkischstämmigen Migranten für ihren Beitrag zum Aufbau der Bundesrepublik in den Jahren des "Wirtschaftswunders". Viele von ihnen seien geblieben, hätten ihre Familien nachkommen lassen und prägten heute das Land wesentlich mit. "Von tatsächlicher Chancengleichheit sind wir jedoch noch weit entfernt", sagte Schneider. Er forderte ein kommunales Wahlrecht für Migranten. "Es kann doch nicht sein, dass Zuwanderer den Betriebsrat wählen können, an den Sozialwahlen teilnehmen, im Aufsichtsrat der Lufthansa sitzen, aber die Bezirksvertretung von Essen-Mitte nicht mitwählen dürfen." Sorge bereite ihm auch die Abwanderung hoch qualifizierter junger türkischstämmiger Menschen aus Deutschland. Die frühere Bundestagspräsidentin und Vorsitzende des Sachverständigenrates für Zuwanderung und Integration, Rita Süssmuth (CDU), beklagte mühsame Fortschritte in der Integrationspolitik und befürwortete ein kommunales Ausländerwahlrecht. Zudem forderte sie eine zügige Anerkennung ausländischer Bildungs- und Berufsabschlüsse. Der Vizepräsident des türkischen Parlaments, Mehmet Saglam, rief dazu auf, die Probleme von Migranten ernst zu nehmen und gegen Fremdenfeindlichkeit vorzugehen.