Umfrage: Mehrheit hält künftig Bauvorhaben wie Stuttgart 21 für schwer durchsetzbar

Berlin. Die Hamburger kennen es durch das Streitobjekt Elbphilharmonie, die Baden-Württemberger durch das Bahnhofsprojekt Stuttgart 21: Große Bauprojekte lassen sich nicht immer so umsetzen, wie es ursprünglich einmal geplant war. Genau diese Erkenntnis ist jetzt auch bei der Mehrheit der Deutschen angekommen. Wie das Institut Allensbach jetzt in einer Umfrage ermittelt hat, haben 58 Prozent den Eindruck, dass sich entsprechende Projekte in der Bundesrepublik prinzipiell nur "sehr schwer" oder "eher schwer" durchsetzen lassen. Nur 21 Prozent sind der Meinung, das sei "eher leicht", gerade einmal zwei Prozent bewerten die Durchsetzbarkeit großer Bauprojekte als "sehr leicht".

Die Zahlen, die dem Abendblatt vorab vorliegen, werden heute offiziell vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), Bauindustrie und Baustoffindustrie vorgestellt. Wie ebenfalls daraus hervorgeht, glauben mehr Deutsche als zuvor, dass ein Scheitern von Stuttgart 21 auch negative Auswirkungen auf andere Großprojekte in Deutschland hätte. Während 2010 noch 38 Prozent der Befragten dieser Meinung waren, sind es aktuell 46 Prozent. Mit 51 Prozent sind zudem mehr als die Hälfte der Deutschen davon überzeugt, dass Investitionen in Bauprojekte davon abhängen, dass die Firmen Planungssicherheit haben - dass sie also sicher sein können, ob Verträge und Zusagen eingehalten werden.

Für die Elbphilharmonie sollte die Stadt ursprünglich 77 Millionen Euro zahlen. Mittlerweile ist diese Summe auf 323,5 Millionen Euro angestiegen. Auch der Eröffnungstermin wurde immer wieder verschoben. Nach derzeitigem Stand wird das Konzerthaus im April 2014 fertig sein. Planungssicherheit sei für Unternehmen "eine entscheidende Voraussetzung für Investitionen", sagte Jürgen Hambrecht, Mitglied des BDI-Präsidiums, dem Abendblatt. "Wo es sinnvoll ist, müssen wir neue Optionen der Bürgerbeteiligung künftig stärker nutzen. Für den BDI sind bessere Bürgerbeteiligung und schnellere Planungsverfahren kein Widerspruch, sie bedingen sich sogar gegenseitig", so der ehemalige Vorstandsvorsitzende des Chemiekonzerns BASF. "Das Industrieland Deutschland braucht einen neuen Konsens über die Bedeutung seiner Infrastruktur und über Verfahren, Projekte zügiger zu realisieren", forderte er.

In Stuttgart kam die SPD gestern mit der oppositionellen CDU zusammen, um vor der Volksabstimmung über das Bahnhofsprojekt zu beraten. "Es wird eine Kampagne der Befürworter geben", sagte SPD-Fraktionschef Claus Schmiedel. Der Koalitionsfrieden bei Grün-Rot werde dadurch nicht gefährdet, sagte er mit Blick auf den Koalitionspartner, der gegen den neuen Bahnhof ist. "Es gibt keine gemeinsame Sache mit der CDU, es gibt eine gemeinsame Aufstellung für Stuttgart 21", betonte er. Bei der Volksabstimmung gehe es nicht um Parteidisziplin, sondern um eine Sachfrage. Voraussichtlich am 27. November sind die Baden-Württemberger aufgerufen, die Frage zu beantworten, ob das Land aus der Finanzierung des Milliardenprojekts Stuttgart 21 aussteigen soll.