Während Deutschland über den Rettungsschirm diskutiert, wird Frankreich zum Vorreiter. Spanien und Italien verordnen sich drastische Sparpakete

Berlin. Sigmar Gabriel hat einen neuen Spitznamen. "Sirtaki-Siggi" lautet er und stammt von FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle. Begründung: Der SPD-Chef sei nun einmal genauso unzuverlässig wie die Griechen. Bei der ersten Lesung über den Gesetzentwurf zur Ausweitung des Euro-Rettungsschirms ging es wieder einmal hoch her im Bundestag. Opposition und Regierung bekämpften einander über die große Frage, wer die besseren Rezepte zur Bewältigung der Schuldenkrise und zur Rettung der Währung hat.

Einig ist man sich im Großen und Ganzen nur darüber, dass die Garantiesumme des Rettungsfonds EFSF erhöht werden muss. Im Juni hatten die 17 Euro-Staaten vereinbart, dass die Bürgschaften von derzeit 440 Milliarden Euro auf 780 Milliarden Euro aufgestockt werden müssen. Um dies umzusetzen, bedarf es jedoch erst der Abstimmung in den nationalen Parlamenten. Doch in Deutschland sind manche Abgeordnete skeptisch. Ihre Befürchtung ist groß, dass die europäischen Sorgenkinder wie Griechenland oder Portugal ihre Kredite nie zurückzahlen können.

Nachdem Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Mittwoch mit eindringlichen Worten für das Vorhaben geworben hatte, verteidigte nun gestern Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) den Plan der Bundesregierung, teils mit drastischen Worten. "Die Lage ist ernst in Griechenland", betonte er. Doch gehe es bei allen Finanzspritzen immer nur um "Hilfe zur Selbsthilfe" für die betroffenen Staaten. "Wir verschaffen Ländern, die in Schwierigkeiten sind, Zeit für die notwendige Anpassung, für die notwendige Lösung ihrer Probleme." Die Länder kämen aber nicht umhin, ihre hohen Defizite abzubauen und Reformen umzusetzen. "Die Lösung ihrer Strukturprobleme können wir ihnen nicht ersparen." Am 29. September wird der Bundestag über das umstrittene Programm abstimmen.

Frankreich segnet Aufstockung ab

Während in Deutschland diskutiert wird, hat die französische Nationalversammlung am Mittwochabend als erstes nationales Parlament den neuen Euro-Rettungsschirm abgesegnet. Mit der Mehrheit des konservativ-rechten Regierungsbündnisses von Präsident Nicolas Sarkozy stimmten die Abgeordneten für die EFSF-Ausweitung. Ermöglicht werden damit auch neue geplante Hilfen für Griechenland. Gegen die Erweiterung des Euro-Rettungsschirms gab es im Gegensatz zu Deutschland kaum Widerstand.

Die größte Oppositionspartei, die Sozialisten, enthielten sich jedoch. Sie kritisieren das Programm als nicht weitreichend genug und wünschen sich die Einführung gemeinsamer Staatsanleihen aller Euro-Länder, sogenannter Euro-Bonds. Nach Angaben der Regierung wird allein der durch den EFSF-Fonds finanzierte Hilfsplan für Griechenland die Verschuldung Frankreichs bis 2014 um rund 15 Milliarden Euro erhöhen. Doch die Franzosen wollen mit neuen Steuern auch Geld wieder hereinholen: Rund 12 Milliarden Euro zusätzlich sollen durch höhere Abgaben auf Tabak, hochprozentigen Alkohol und durch eine neue Steuer auf zuckerhaltige Sprudelgetränke sowie auf Übernachtungen in Luxushotels in die Staatskassen gespült werden.

Spanien will eisern sparen

In der Euro-Schuldenkrise ist seit Monaten auch der Druck auf Spanien hoch. Internationale Hilfe musste das Land bislang nicht beantragen; doch um die Märkte zu beruhigen, hat Spanien als zweites Land Europas nach Deutschland nun die Aufnahme einer Schuldenbremse in die Verfassung beschlossen. Vorgesehen ist, Haushaltsdefizite bis 2020 auf 0,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu begrenzen. Der Protest ist aber groß: Bei der Senatsentscheidung zogen nicht alle Mitglieder mit - manche erschienen gar nicht erst zur Abstimmung, andere verließen den Saal. Die Gewerkschaften kritisierten, dass die Entscheidung nicht ausreichend öffentlich diskutiert worden sei und Sozialprogramme schmälern werde. Sie forderten ein Referendum über die Entscheidung und riefen zu Protesten auf. Schon seit Wochen demonstrieren die Spanier zu Tausenden gegen das Sparprogramm.

Gegen die Ausweitung des Euro-Rettungsschirms gibt es jedoch kaum Widerstand. Anders als in Deutschland spielt das Thema in der Öffentlichkeit keine Rolle. Das Parlament soll die Umsetzung des Programms noch vor der Neuwahl im November billigen.

Generalstreiks in Italien

Die Regierung von Ministerpräsident Silvio Berlusconi konzentriert sich ebenfalls nicht vordringlich um den Euro-Rettungsschirm, sondern vor allem darum, mehr Geld in die Kassen zu holen. Nach wochenlangem Hin und Her wurde nun ein 54 Milliarden schweres Paket aus einem Mix von Einsparungen und Steuererhöhungen geschnürt. So soll etwa die Mehrwertsteuer um einen Punkt auf 21 Prozent angehoben und eine Reichensteuer eingeführt werden. Der römische Senat billigte die Pläne am Mittwochabend, die Berlusconi sogar mit der Vertrauensfrage verband. Während der Abstimmung ging die Polizei vor dem Senatsgebäude mit Tränengas und Schlagstöcken gegen Gegner der Sparmaßnahmen vor. Bereits am Dienstag hatte ein achtstündiger Generalstreik viele Städte in Italien lahmgelegt.

Nach Deutschland und Spanien vereinbarte die Regierung in Rom gestern ebenfalls, eine Schuldenbremse in der Verfassung zu verankern. Hilfe kommt jetzt sogar aus Deutschland: Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) kündigte an, in der nächsten Woche nach Italien zu reisen, um mit der Regierung über weitere Schritte zur Euro-Rettung zu beraten.

Griechenland bleibt Sorgenkind

Die Hellenen geraten immer weiter unter Druck. Dass die EFSF-Ausweitung schnell kommt, ist ebenso in ihrem Sinne wie alle weiteren Euro-Rettungsmechanismen. Doch die Zahlung der nächsten Griechenland-Hilfe steht auf der Kippe. Dass die sozialistische Regierung in Athen deshalb die Sparbemühungen verschärft, kommt bei den Menschen nicht gut an. Griechische Taxifahrer, Krankenhausärzte und Zahnärzte traten gestern in einer neuen Protestrunde in den Ausstand. Für die kommenden Wochen haben bereits die Müllabfuhr, Lehrer und Mitarbeiter der Finanzämter mit Arbeitsniederlegungen gedroht. Den europäischen Partnern ist Griechenlands Sparprogramm auf der anderen Seite nicht drastisch genug: Sie kritisieren, dass Athen die angekündigten Reformen zu langsam umsetzt. Euro-Gruppen-Chef Jean-Claude Juncker sagte, die nächste Tranche in Höhe von acht Milliarden Euro werde nicht gezahlt, wenn die griechische Regierung die an das Rettungspaket geknüpften Bedingungen nicht einhalte.