Der Süden Vorpommerns hat sich erneut als Hochburg der Rechtsextremen erwiesen

Koblentz. Ingelore Grygula ist schockiert. "Mehr als 30 Prozent haben NPD gewählt? Mit etwa 16 Prozent hätte ich gerechnet", sagt die Bürgermeisterin von Koblentz im Süden Vorpommerns. In dem 200-Seelen-Dorf holten die Rechtsextremen bei der Landtagswahl am Sonntag mit 33 Prozent so viele Zweitstimmen wie in keinem anderen Ort. Doch Koblentz ist kein Einzelfall: Auch in Beselitz und Postlow bei Anklam sowie in Hammer und Wilhelmsburg bei Torgelow entfielen zwischen 26 und 29 Prozent der Stimmen auf die Rechtsextremen, die wieder mit sechs Prozent in den Schweriner Landtag einziehen.

Extremismusforscher sehen eine der Ursachen darin, dass keine demokratische Partei in den Dörfern aktiv ist. "Sie haben uns alleingelassen und kommen nur alle paar Jahre zur Wahl vorbei", kritisiert die Bürgermeisterin. Erst kürzlich war Agrarministerin Ilse Aigner (CSU) wegen des Hochwassers an den Koblentzer See und die überfluteten Wiesen gekommen.

Von den 209 Wahlberechtigten in Koblentz sind 109 zur Wahl gegangen. Wer nun genau die Rechtsextremen wählte, weiß keiner. Im Gewächshaus der Gemeinnützigen Werkstätten, wo Grygula arbeitet, ist es Gesprächsthema Nummer eins. Fünf Angestellte betreuen hier 48 Behinderte - der größte Arbeitgeber. Eine Einkaufsmöglichkeit gibt es nicht, auch keine Kneipe mehr. "Es gibt ein ganzes Bündel von Ursachen", vermutet Grygula.

Etwas anders sieht das Olaf Krüger, der das erste Haus am Dorfeingang bewohnt. "Es gibt hier viel rechtes Gedankengut unter jungen und alten Leuten, und ich habe auch Verständnis dafür", sagt der arbeitslose Koch. Er betrieb nach der Wende die Dorfgaststätte, gab das Lokal aber wieder auf, weil es zuletzt zu einem Treffpunkt der rechten Szene geworden war.

Von den Löhnen, die hier gezahlt würden, könne man kaum leben, meint Krüger. Oft bekämen Leute 410 Euro und müssten Hilfen vom Amt in Anspruch nehmen. "Mit gerechter Entlohnung hat das nichts zu tun", meint Krüger. In genau solche Stimmung stoße seit Jahren die NPD. "Die waren regelmäßig hier, haben Wahlwerbung gemacht - keine andere Partei kümmert sich hier um die Menschen", sagt der ehemalige Gastwirt und verweist auf eine Hochglanzbroschüre, die die Rechtsextremen regelmäßig verteilten. Ähnlich sieht das der Politologe Ingmar Dette, der das Regionalzentrum für demokratische Kultur in Anklam leitet: "Die demokratischen Parteien haben sich zu stark auf den Städtewahlkampf konzentriert." Die Parteien müssten überlegen, wie sie die Menschen auf dem Land erreichen. In Koblentz hat fast nur die NPD Plakate aufgehängt, auf einem steht: "Polen offen, Arbeit futsch, Auto weg - Arbeitsplätze sichern - Grenzen dicht". Dette sagt: "Die NPD hat im Gegensatz zu den demokratischen Parteien einen Provokationswahlkampf geführt, der das Unbehagen der Menschen aufgenommen hat." Und Krüger ergänzt: "Die nehmen Themen auf wie die Kriminalität, die andere verschweigen."

Die Bürgermeisterin meint, das Dorf sei seit Jahren alleingelassen worden. Zum einen bei der Sanierung einer Pflasterstraße, die, wie sich später herausstellte, dem Kreis gehörte, zum zweiten mit dem Wassermanagement. Mit dem Hochwasser im Sommer wurden fast alle Wiesen im Randowtal überflutet. "Ein Ergebnis der vielen Renaturierungen rund um den Großen Koblentzer See", meint Grygula. Um dieses Problem wollte sich auch Bundesagrarministerin Aigner kümmern. "Aber nur alle paar Jahre im Wahlkampf brauchen die auch nicht zu kommen", sagt Grygula verbittert.