Die Wahl im Nordosten endet für die Regierungsparteien in der Hauptstadt im Desaster. Zum vierten Mal in diesem Jahr fliegt die FDP aus einem Landtag

Berlin. Gerade mal eineinhalb Minuten dauert der Auftritt von Christian Lindner, in dem der FDP-Generalsekretär wie schon dreimal zuvor in diesem Jahr die Scherben einer verheerenden Wahlniederlage zusammenkehren muss. "Die Niederlage in Mecklenburg-Vorpommern schmeckt bitter", sagt Lindner, ernstes Gesicht, die Hände vor dem Bauch gefaltet. Es ist kein guter Tag für die FDP, weder im Nordosten noch hier in der Zentrale der Liberalen, dem Thomas-Dehler-Haus.

Zum vierten Mal in diesem Jahr ist die Partei aus einem Landtag geflogen, eine weitere quälende Rücktrittsdebatte um Außenminister Guido Westerwelle ist eben erst und wahrscheinlich nur für kurze Zeit beendet, die Umfragewerte im Bund pendeln seit Monaten unterhalb der Fünf-Prozent-Marke. Man habe sich keine Illusionen gemacht, sagt Lindner, "dass wir eine Strecke gehen müssen, bis die FDP wieder Vertrauen gewinnen kann". Dass diese Strecke dann aber über diese Wahl hinausreicht, hat die wenigen Gäste an diesem Abend jedoch enttäuscht. Bei der Landtagswahl im September 2006 kam die FDP noch auf 9,6 Prozent - jetzt erreicht sie gerade einmal ein Viertel dieses Wertes. Für den neuen Parteichef Philipp Rösler ist das kein gutes Signal. Als um 18 Uhr die ersten Hochrechnungen über die Bildschirme flackern, ist die Reaktion der Liberalen nur ein resigniertes Schulterzucken.

Selbst bei der CDU geht ein ungläubiges Raunen durch das Foyer des Konrad-Adenauer-Hauses, als die Prognosen für die FDP bekannt werden. Dass es um den Koalitionspartner momentan weitaus schlimmer bestellt ist, hilft hier allerdings nur wenige Sekunden über den Frust des eigenen Ergebnisses hinweg. "Das war eine Entscheidung über die Landesregierung", stellt Generalsekretär Hermann Gröhe schleunigst klar. Seine Botschaft ist eine andere: Die Große Koalition soll in Schwerin weiterarbeiten. Das habe der Wählerwille klar bewiesen. Ein Urteil über die Bundesregierung oder - noch schlimmer - eine christdemokratische Identitätskrise will niemand an diesem Abend herbeireden. Neben dem Generalsekretär zeigt sich als einziger CDU-Promi noch der parlamentarische Geschäftsführer Peter Altmaier. Fleißig gibt er ein Interview nach dem anderen, und jedes Mal betont er, dass die Umfragen für die CDU auf Bundesebene weitaus besser seien, dass Schwarz-Gelb noch zwei Jahre vor sich und damit "alle Chancen" habe. Aber der Blick gen Nordosten ist sorgenvoll. Denn machtstrategisch, daraus macht niemand an diesem trostlosen Sonntagabend einen Hehl, ist das Ergebnis eine Blamage. In der Union ist zwar schon länger die Erkenntnis gereift, dass die Zeiten, in denen sich Mecklenburg-Vorpommern noch als CDU-Land bezeichnen durfte, weit zurückliegen. So weit, dass man in der Hauptstadt Ergebnisse um 30 Prozent durchaus akzeptabel findet.

Aber unter 25 Prozent? 1990 und 1994 blickte die Bundes-CDU mit stolzgeschwellter Brust nach Schwerin, als man noch Ergebnisse um die 38 Prozent holte. Und das in einer Zeit, als die norddeutschen Nachbarländer allesamt SPD-geführt waren. Dass die CDU nun nicht nur in Großstädten, sondern auch auf dem Land Mobilisierungsprobleme hat, darüber wird sich die Parteispitze wohl ihre Gedanken machen.

Das sieht auch Cem Özdemir so. "In Berlin, glaube ich, werden sich Frau Merkel und Herr Rösler Gedanken machen müssen, dass sie erneut eine Wahlniederlage haben", meint der Grünen-Vorsitzende mit Blick auf die Bundeskanzlerin und den FDP-Chef. Özdemirs Partei hat in Mecklenburg-Vorpommern zwar nicht jene schwindelerregenden Werte vorangegangener Wahlen wiederholen können, hat mit dem Sprung in das Schweriner Parlament jedoch erreicht, dass die Grünen nun in allen 16 Landtagen vertreten sind.

Noch zufriedener ist man bei der SPD. "Leistung lohnt sich auch in der Politik", stellt Parteichef Sigmar Gabriel fest. Jetzt hoffen die Berliner Sozialdemokraten, dass der Sieg im Nordosten auch dem Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit Rückenwind für die Wahl am 18. September gibt. Das Gleiche gilt auch für die Linkspartei. Trotz interner Querelen in den vergangenen Wochen kann Parteichefin Gesine Lötzsch erst einmal durchatmen. Beschwörend sagt sie, wenn man gemeinsam für eine Sache einstehe, dann könne man auch erfolgreich sein.