Bei Parteireform muss er einlenken. Beteiligung von Nichtmitgliedern nur freiwillig

Berlin. Im SPD-Streit um eine Organisationsreform hat Parteichef Sigmar Gabriel Kompromissbereitschaft signalisiert. Die zunächst von der Parteispitze angestrebte Beteiligung von Nichtmitgliedern an Kandidatenwahlen für öffentliche Ämter soll zunächst nur auf freiwilliger Basis ausprobiert werden. Die Parteigliederungen sollten selbst entscheiden, ob sie von solchen Vorwahlen unter Einbeziehung von Interessenten ohne SPD-Parteibuch Gebrauch machen wollen, sagte Gabriel vor dem Bundeskongress der Arbeitsgemeinschaft "SPD 60 plus" in Berlin. Die SPD-Spitze wolle dafür keine Vorschriften machen. Erst in ein paar Jahren könne man prüfen, ob sich dieses Experiment bewährt habe.

Nach Gabriels Worten soll auf dem SPD-Bundesparteitag Anfang Dezember lediglich eine Straffung der Führungsgremien beschlossen werden. Die jetzige Form sei "optimierungsfähig". Bei einer Sitzung des Präsidiums mit den Bezirks- und Landesvorsitzenden an diesem Sonntag soll dafür ein Konzept beschlossen werden. Ursprünglich war vorgesehen, den 45 Mitglieder zählenden Parteivorstand auf bis zu 20 zu verkleinern. Auch wegen der Erfüllung der Frauen- und der geplanten neuen Migrantenquote zeichnet sich aber ab, dass diese Vorgabe nicht erreicht wird. Als wahrscheinlich gilt eine Größe von etwa 30 Mitgliedern. Der bisherige Parteirat soll abgeschafft werden. Stattdessen soll es einen Länderrat geben, in dem neben dem SPD-Vorstand die Landes- und Bezirksvorsitzenden sowie Vertreter aus den Parlamenten sitzen. Gabriel bekräftigte seine Entschlossenheit, die Reform trotz des innerparteilichen Widerstands voranzubringen. Ein Beharren darauf wäre für die Partei "das größte Risiko". Die SPD müsse sich von einer Mitglieder- zur Bürgerpartei fortentwickeln. Dort dürften aber nicht nur Funktionäre Rechte haben.

Die SPD wäre im Fall eines Auseinanderbrechens der schwarz-gelben Koalition aus Sicht Gabriels auf Neuwahlen vorbereitet. "Die Popularität von Peer Steinbrück und Frank-Walter Steinmeier rührt ja gerade daher, dass die Menschen sich gut daran erinnern, dass diese beiden Sozialdemokraten das Land durch die letzte Finanz- und Wirtschaftskrise deutlich sicherer gesteuert haben, als das heute die Bundesregierung tut", sagte Gabriel der "Ostsee-Zeitung". Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) hat er Ambitionen auf das Kanzleramt unterstellt. Sie hatte sich mit eigenen Vorschlägen zum Euro-Rettungsfonds zu Wort gemeldet. "Dass eine Ministerin und stellvertretende CDU-Vorsitzende in diesem Maße illoyal agiert und die Autorität der Kanzlerin infrage stellt, zeigt, unter welchen Auflösungserscheinungen die Regierung zu leiden hat", sagte er der "Braunschweiger Zeitung".