Wirtschaftsminister Rösler will Mangel an qualifizierten Arbeitern durch Zuwanderung beheben

Berlin. Trotz des oft beklagten zunehmenden Mangels an Fachkräften verlieren viele qualifizierte Beschäftigte ihren Job. So haben sich in der ersten Hälfte dieses Jahres 110 000 Beschäftigte mit Hoch- oder Fachschulabschluss arbeitslos gemeldet, berichtet die "Saarbrücker Zeitung" unter Berufung auf eine Untersuchung des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB). Das waren 3,6 Prozent aller Beschäftigten mit entsprechendem Bildungsniveau. Im selben Zeitraum wurden 908 000 Beschäftigte mit betrieblicher Ausbildung arbeitslos - 5,7 Prozent der 16 Millionen Beschäftigten dieser Kategorie.

Der Arbeitsmarktexperte beim DGB-Bundesvorstand, Wilhelm Adamy, vermutet, dass viele Fachkräfte an den Bedürfnissen des Arbeitsmarktes vorbei qualifiziert würden. Zudem betrieben viele Firmen bei ihrer Ausbildung keine langfristig orientierte Personalplanung, sagte er der Zeitung.

Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) will das Problem mit ausländischen Fachkräften lösen. "Wir müssen jetzt dringend handeln und die Zuwanderung von Fachkräften deutlich erleichtern", sagte Rösler der "Wirtschaftswoche". "Dazu müssen wir die Gehaltsschwelle von derzeit 66 000 Euro auf 40 000 Euro pro Jahr absenken." So viel muss ein ausländischer Experte pro Jahr bei einem deutschen Unternehmen verdienen, um eine dauerhafte Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis zu bekommen.

Rösler möchte nach seinen Worten verhindern, dass internationale Fachkräfte weiter einen Bogen um Deutschland machen. "Bisher kommen gerade einmal rund 170 hoch qualifizierte ausländische Fachkräfte pro Jahr nach Deutschland. Diese Zahlen sind ernüchternd." Der FDP-Bundesvorsitzende und Wirtschaftsminister sieht keine Verdrängungsgefahr auf dem Arbeitsmarkt: "Allen muss klar sein: Vollbeschäftigung können wir nur erreichen, wenn wir attraktiv für qualifizierte Zuwanderer sind." Qualifizierte Zuwanderung sichere bereits vorhandene und erschließe neue Arbeitsplätze in Deutschland.

Auch der scheidende saarländische Ministerpräsident Peter Müller sprach sich für eine weitere Liberalisierung des Zuwanderungsrechts aus. "Das Boot ist immer noch nicht voll", sagte der CDU-Politiker dem "Focus". "Wir spüren, dass unser Boot nicht hinreichend besetzt ist." Die Überalterung der Gesellschaft führe dazu, dass sich der Fachkräftemangel weiter verschärfe. Da gebe es "nach wie vor unnötige Bremsen - etwa bei den Einkommensgrenzen". Müller fordert eine Zuwanderung, die sich an Deutschlands eigenen Interessen orientiert. "Dabei geht es nicht nur um High Potentials, sondern es wäre auch für den Pflegebereich gut, wenn qualifizierte Menschen sich bei uns eine neue Heimat schaffen wollen."

Die Bundesagentur für Arbeit hatte kürzlich erklärt, durch eine gesteuerte Zuwanderung könnten bis 2025 insgesamt 800 000 Fachkräfte nach Deutschland kommen. Sie will auch in den Staaten Südeuropas um Fachleute werben. Ein wichtiges Hindernis seien allerdings fehlende Sprachkenntnisse. Besonders stark ist der Fachkräftemangel bereits bei den Ärzten und Ingenieuren spürbar. Die CSU sperrt sich gegen erleichterte Zuwanderung.